Gar nicht lustig ist das Zigeunerleben

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buecherfan.wit Avatar

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In Stef Penneys zweitem Roman “Was mit Rose geschah” lernt der Leser eine Welt kennen, die den meisten von uns fremd ist: die der Zigeuner. Der Roman spielt im England der 80er Jahre. Ray Lovell arbeitet als Privatdetektiv zusammen mit seinem Partner Hen in der Firma Lovell Price Investigations.

Der Roman beginnt spektakulär. Ray wacht im St.-Luke´s-Krankenhaus auf und leidet unter Gedächtnisverlust, Lähmungserscheinungen, Albträumen und Halluzinationen. Erst allmählich kommen seine Erinnerungen zurück, und er kann seine Gliedmaßen wieder bewegen. Es wird sich herausstellen, dass er mit Pflanzen vergiftet wurde. Offensichtlich ist er im Rahmen seiner Ermittlungen der Wahrheit gefährlich nahe gekommen und sollte ausgeschaltet werden. Und so hat alles angefangen:

Eines Tages sucht ihn der etwa 60jährige Leon Wood in seinem Büro auf und bittet ihn, seine seit circa sechs Jahren verschwundene Tochter Rose zu suchen. Er hat Ray ausgewählt, weil er zumindest zur Hälfte selbst Rom ist. Niemand hat Rose damals vermisst gemeldet, weder der Vater noch der Zigeuner-Clan der Jankos, in den Rose hineingeheiratet hat. Rose soll wenige Wochen oder Monate nach der Geburt ihres Kindes mit einem Nicht-Zigeuner davongelaufen sein und ihren Mann Ivo und ihren kleinen Sohn Christo zurückgelassen haben. Der Clan besteht aus Ivo, seinem Vater Tene, dessen Schwester Kath, ihrem Ehemann Jimmy und Tochter Sandra mit ihrem 14jährigen Sohn Jimmy genannt JJ. Der sechsjährige Christo leidet unter einer rätselhaften erblichen Familienkrankheit, an der die männlichen Mitglieder der Familie sterben. Tene sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl. Die Jankos scheinen mit einem Fluch belegt zu sein, so sehr häufen sich die Todesfälle in der Familie.

Als Ray bei den Jankos Fragen zu Roses Verschwinden stellt, zeigt sich die Familie wenig kooperativ. Ray wird immer tiefer in ein Netz von Lügen und Geheimnissen hineingezogen, und davon scheint es in der Familie Janko eine ganze Menge zu geben. Nicht nur Roses Vater vermutet, dass seiner Tochter etwas zugestoßen ist. Als an einem früheren Wohnwagen-Stellplatz der Jankos menschliche Knochen gefunden werden, scheint sich diese Vermutung zu bestätigen. Und dann ist doch alles wieder ganz anders, als der Leser zunächst dachte, der Ray beim Sammeln der spärlichen Informationen und Aufdecken der Lügen folgt.

Die Autorin erzählt aus den regelmäiig wechselnden Perspektiven von Ray Lovell und von JJ, dem der Zigeunerjungen, der nicht nur die typischen Probleme eines Heranwachsenden hat, sondern als Mitglied einer unter Diskriminierung leidenden gesellschaftlichen Randgruppe auch in der Schule darum kämpfen muss akzeptiert zu werden. JJ hat mindestens so viele Fragen wie Ray. Er will wissen, wer sein Vater ist, will die Geheimnisse seiner Familie erfahren und sieht seinen einst bewunderten Onkel Ivo zunehmend kritisch.

“Was mit Rose geschah” ist ein Roman mit Krimielementen. Die breite Darstellung der Lebensweise, Mythen und Traditionen der Zigeuner - von der Autorin sorgfältig recherchiert - verträgt sich nicht problemlos mit den Konventionen des Kriminalromans und nimmt dem Roman vor allem in der ersten Hälfte viel von der Spannung, die die Suche nach einer geheimnisvollen Vermissten eigentlich erzeugen müsste. Zum Ende hin bis zur mehr oder weniger überraschenden Auflösung wird es spannender. Insgesamt ist der Versuch der Autorin, sich den Unsichtbaren (Originaltitel: “The Invisible Ones”)  zu nähern, interessant zu lesen. Ihr ist hoch anzurechnen, dass sie die geschlossene Welt des fahrenden Volkes ohne Sentimentalität und ohne romantische Verklärung darstellt. Es wird im Gegenteil sehr deutlich, wie schwer ihr Leben in der heutigen Zeit ist, wo nun mal die Mehrheit der Bevölkerung in Häusern lebt und einer geregelten Arbeit nachgeht. Ingesamt ein durchaus empfehlenswerter Roman.