Was uns erinnern lässt

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malo2105 Avatar

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Als Milla auf der Suche nach einen „Lost Place“ mitten im Thüringer Wald einen überwucherten Keller entdeckt, kann sie es kaum glauben. Es mutet ihr wie ein eingefrorenes Bild aus der Vergangenheit an. Geschirr steht neben selbst eingekochter Marmelade im Regal, sogar die Pumpe funktioniert noch. In einem alten Schulheft stößt Milla auf den Namen Christine Dressel. Ihre Neugier ist geweckt und so sucht sie eben jene Christine und nimmt Kontakt zu ihr auf. Was sie dabei erfährt, ist ein Stück DDR-Geschichte, den ich nur im Ansatz so kannte. Mein Opa stammt selbst aus der Nähe von Sonneberg und so waren mir Begriffe wie Sperrzone, Grenzstreifen und Passierschein für diesen Teil der DDR schon geläufig. Dies nun aber anhand der fiktiven Familie Dressel zu lesen, fand ich sehr informativ und spannend.
In zwei Zeitsträngen führt Kati Naumann den Leser durch ihre Geschichte. Mir persönlich hat der Strang in der Vergangenheit richtig gut gefallen. Hier lernt man die Familie Dressel kennen, die in eben jener Sperrzone lebt, irgendwo zwischen den Welten, nicht im Westen, aber auch nicht ganz im Osten. Abgeschieden inmitten des Tiefen des Thüringer Waldes ist ihr Leben gekennzeichnet von der Natur, ständigen Kontrollen und Schikanen durch Grenzer und Stasi und ganz entscheidend dem Zusammenhalt innerhalb der Familie. Ist ihr Hotel zunächst Heim für Erholungssuchende und während des Krieges ein Lager für die Kinderlandverschickung hoffen die Dressel nach dem Krieg auf einen Neustart als Hotel. Doch die Lage mitten im Thüringer Wald, direkt am Rennsteig und damit an der Grenze wird ihnen zum Verhängnis. 1977 wird die Familie zwangsumgesiedelt und die Zeit spaltet sich in ein Davor und ein Danach.
Im zweiten Erzählstrang steht Milla im Vordergrund. Zunächst ist sie begeistert, dass sie diesen Keller entdeckt hat und will damit ihren Instagram-Account populärer machen. Doch bald ist sie mittendrin in der Geschichte um Familie Dressel und findet so auch ein Stück weit zu sich selbst. Mit Milla bin ich allerdings erst im Laufe der Geschichte warm geworden. Schien sie mir zunächst völlig abgehoben, hat sich dies im Handlungsverlauf zwar geändert, trotzdem hat mich die Familiengeschichte der Dressels sehr viel mehr gepackt. Dazu hat der bildhafte und lebendige Schreibstil der Autorin viel beigetragen und so konnte ich die Geschichte sehr intensiv miterleben.
Die Charaktere sind aus meiner Sicht authentisch beschrieben und detailliert ausgearbeitet, so dass man sich mit ihnen identifizieren kann. Gerade die Frauen der Familie Dressel haben mich mit ihrer Stärke beeindruckt. Trotz aller Repressalien haben sie immer Mittel und Wege gefunden, ihren Leben auch gute Seiten abzugewinnen.
Sehr gern vergebe ich fünf Sterne und eine Kauf- und Leseempfehlung.