Zwischen den Grenzen.

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shelly123 Avatar

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Kati Naumann, eine Autorin die für mich bisher noch unbekannt war, erzählt in diesem gefühlvollen Roman, von dem Leben zwischen zwei Stacheldrahtzäunen im Sperrgebiet zwischen DDR und Westdeutschland. Sie zeigt uns, wie dort trotz der widrigen Umstände ein glückliches Leben geführt wurde.

In einem der zwei Zeitstränge erzählt sie die Geschichte der Familie Dressel, welche von 1945-1977 über vier Generationen in der Sperrzone zwischen den Grenzen der DDR und Westdeutschland im Hotel Waldeshöh gelebt hat. Das Waldeshöh hat sich während der Jahre immer wieder gewandelt. So war es vor dem zweiten Weltkrieg ein gut besuchtes Hotel, im Krieg fungierte es aufgrund seines Standortes als sicherer Unterschlupf für eine Schulklasse aus der Stadt. Ab 1945 wurde es nur noch als Privathaus für die Familie Dressel genutzt, welche sich allerdings immer wünschte, einmal das Hotel wieder in altem Glanz erstrahlen zu sehen. Trotz aller Widrigkeiten die sich ihnen in den Weg stellen - ein mühsamer Schul- und Arbeitsweg, keine Telefonleitung oder fließendes Wasser und vor allem der strengen und scheinbar willkürlichen Kontrollen der Grenzbeamten beim Passieren der Grenze ins Dorf und zurück - gibt die Familie Dressel nicht auf und weigert sich immer wieder, das Hotel Waldeshöh, ihr Zuhause zu verlassen.

In dem zweite Zeitstrang , der Gegenwart, lernen wir die 31 Jahre alte Milla kennen, welche neben ihrem Job in einer Anwaltskanzlei und dem Leben als alleinerziehende Mutter eines 14 jährigem Sohnes, leidenschaftlich gerne Lost Places sucht und fotografiert.
Bei einem dieser Ausflüge entdeckt Milla den Keller des ehemaligen Hotels Waldeshöh, wo sie unter anderem ein Schulheft von Christine Dressel findet. Während sie am Anfang nur die Begeisterung, endlich als Erste einen Lost Place gefunden zu haben, dazu antreibt, mehr über die Gegend Dressels Forst und das Hotel Waldeshöh herauszufinden, ändert sich dies doch schnell. Milla lernt Christine Dressel kennen, mit der sie sich schnell anfreundet. Christine erzählt ihr von ihrem Leben in Dressels Forst, der Familiengeschichte ihrer Eltern und Großeltern, der glücklichen Kindheit und dem Familienzusammenhalt der Dressels und schließlich auch von der plötzlichen Zwangsaussiedlung. Nach dieser dramatischen Geschichte will Milla helfen, das Grundstück der Familie wieder zurückzufordern.

Am Anfang steht die Familie Dressel dem Angebot eher ablehnend gegenüber, schließlich haben sie das alles schon einmal durchgemacht und wurden dabei sehr enttäuscht. Im Endeffekt wollen sie es mit Millas Hilfe aber doch versuchen. Dabei wachsen nicht nur die beiden Familien zusammen, sondern es kommen auch einige unerwartete Dinge ans Licht.

Dieses Buch hat mich gefesselt und nicht mehr losgelassen. Die Charaktere sind liebevoll und mit so vielen Details beschrieben, dass man wirklich das Gefühl hat, man ist mitten im Geschehen. Der Schreibstil ist sehr gefühlvoll, man leidet und freut sich mit den Dressels. Durch ihre bildhafte Ausdrucksweise bekommt man das Gefühl, man steht wirklich in dem alten Keller, dem Wald oder vor dem Hotel mit dem Wendekreis und dem schönen Turmzimmer.
Der Roman ist sehr gewissenhaft recherchiert und mir gefällt, wie Kati Naumann ihre eigenen Erinnerungen mit denen der Zeitzeugen verknüpft hat, ohne dass irgendetwas in diesem Buch unpassend oder zusammengewürfelt wirkt. Vor allem begeistert hat mich die starke Ausstrahlung der Frauen im ersten Zeitstrang, obwohl die Charaktere so unterschiedlich sind, haben sie doch alle eins gemeinsam: Sie lassen sich nicht unterkriegen und tun, was das Beste für ihre Familie ist.

Die Gestaltung des Buches gefällt mir sehr gut. Das Cover passt super zu meiner Vorstellung von Dressels Forst und der Stammbaum tut sein Übriges zur Wirkung dieses Buches hinzu.

Fazit:
Für diesen Roman gibt es eine klare Kaufempfehlung von mir. Der Roman ist spannend und gefühlvoll geschrieben. Naumann behandelt sehr authentisch ein Thema, mit dem ich mich persönlich noch nie beschäftigt habe. Sie beschreibt das Gefühl der Heimat und zeigt einen engen Familienzusammenhalt. Von mir gibt es 5 Sterne und ich werde auf jeden Fall nach weiteren Büchern von Kati Naumann Ausschau halten.