Roman einer Familie

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Was, wenn dir das Schlimmste zustoßen würde? Wenn du das Wichtigste in deinem Leben unwiederbringlich verlieren würdest? Wie weiter leben, wenn der Schmerz und die Schuldgefühle dich immer wieder einholen. "Was uns verbindet" erzählt die bewegende Geschichte einer Familie, die unerwartet und durch den wohl unerträglichsten Schicksalsschlag grundlegend geprägt und gebrochen wird, bis sie schließlich als Konstrukt "Familie" auseinanderbricht.

Shilpi Somaya Gowda lässt die Geschichte aus der Perspektive der vier Protagonisten erzählen. Auch Prem, der verstorbene Sohn, nimmt in einigen Kapiteln Stellung und berichtet aus seiner Sicht aus dem Jenseits. Gowda hat den Selbstfindungs- und Trauerprozess der einzelnen Familienmitglieder, über sieben prägende Jahre hinweg, auf überaus wertneutrale und zugleich psychologische Weise beschreiben. Jeder Mensch hat seine Art zu trauern, zu verstehen und zu verarbeiten.
Jedes Mitglied der Familie begibt sich auf seinen eigenen Weg, jeder auf seine Art mit dem Verlust (weiter) zu leben, zu funktionieren! "Vielleicht bewegen sich alle auf ihren eigenen parallelen Wegen der Trauer und würden sich auf der anderen Seite treffen, wohlbehalten oder sogar stärker."

DAVOR: Die scheinbar perfekte Kleinfamilie. Keith, erfolgreich im Investmentbanking, den Weg die Karriereleiter hoch. Jaya, weltgewandte Diplomatentochter und berufstätige Mutter der Kinder Karina (13) und Prem (8). Wie jeden Tag nach der Schule sind die Kinder bis zum Dienstschluss der Mutter für zwei Stunden allein Zuhause. Eine Zeit, die beide sehr genießen, sowohl zusammen, als auch ganz allein für sich. Bis zu jenem Tag, an dem es ganz still wird im Hause, bis nur noch Karinas Schreie zu hören sind, die lediglich von den Sirenen übertönt werden. Prem, der mit seiner Schwester im heimischen Pool hatte schwimmen gehen wollen, wurde von Karina, die sich zuvor in ihr Zimmer zurück gezogen hatte, um mit ihrer besten Freundin zu telefonieren, leblos aus dem Wasser gezogen. Wiederbelebungsmaßnahmen blieben erfolglos. Das Lachen und die Liebe sind mit Prems Tod aus dem Haus der Olanders verschwunden und die Familie beginnt, an dem schmerzlichen Verlust zu zerbrechen. Bis sie sich nach sieben Jahren, aufgrund eines erneuten Vorfalls wiederzufinden scheinen. "Jetzt lernen sie zu dritt, als neu gebildete Einheit, wie sie sich um ein fehlendes Element herum formieren können, ohne sich [erneut] daran zu verlieren."

Der Einstieg in die Geschichte ist sehr fesselnd. Der vermeintliche Höhepunkt, mit dem Tod des jüngsten Kindes, kam unerwartet schnell und wurde, für mein Empfinden und für ein solch schweres Thema, nicht emotional genug aufgegriffen. Die Geschichte zog sich dann lange Zeit hin und erfuhr ebenso lange keinen erneuten Spannungsbogen. Viele Rückblenden von DAVOR, aus dem Leben vor dem schrecklichen Unfall, dienen sicher der Charakterisierung der Protagonisten, doch leider wurden sie mir nicht zu Vertrauen und blieben fremd und unnahbar. Auch Bezüge zum 11. September, finde ich persönlich unpassend. Die Geschichte nahm eine Wendung, die mir persönlich ein wenig zu sehr in Richtung "Sekte" geht, weshalb ich mich über einige Kapitel echt zwingen musste. Das Ende brachte dann wieder neue Spannung mit sich und mir und den Protagonisten den erwünschten Frieden. Der Schreibstil von Gowda ist überaus einladend und bis auf ein paar sich wiederholende Sätze und Inhalte, sehr angenehm zu lesen. Wer in einer persönlichen Krise steckt und auf literarische Weise verstehen möchte, dass viele Wege ans Ziel führen (können), ist mit diesem Roman gut beraten. Auch für Jugendliche ist er passend. Mir fehlt die magische Anziehung, das Buch und seinen Inhalt schnellstmöglich verschlingen und nicht mehr aus der Hand legen zu wollen zeitweise leider.