Zwischen Gebet und Aufbegehren

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Der Text entfaltet sich wie der Beginn eines still vibrierenden Kammerspiels: In der kühlen Strenge eines religiösen Internats treffen Disziplin und Sehnsucht, Gehorsam und jugendliche Unruhe aufeinander. Hinter dem frommen Ritual lauert das Ungestüme des Lebens, das mit Ungeduld an den Türen kratzt.
Mit feinem Gespür für Zwischentöne beschreibt der Text die jungen Frauen zwischen Kindheit und Erwachsensein, gefangen in einer Ordnung, die sie nur halb akzeptieren. Sobald der Schleier fällt, verwandelt sich die religiöse Strenge in ein plötzlich aufsprudelndes, fast trotziges Lachen – ein Akt der Befreiung, leise, aber deutlich.
Die Figuren wirken schon in den ersten Seiten plastisch: Vinca, die Aufmüpfige mit dem Telefonwunsch; Silvia, in Trauer gehüllt und voller innerer Spannungen; Xenia, ruhelos und ungeduldig; Valentina, die beobachtet und vermittelt. Jede trägt etwas von der Ambivalenz dieses Ortes in sich – zwischen Pflicht und Verlangen, zwischen Bildung und Freiheit, zwischen dem sicheren Käfig und der flirrenden Welt draußen.
Sprachlich ist der Text ruhig und präzise, durchzogen von sinnlichen Details – der Duft getrockneter Feigen, das Mondlicht auf dem Boden, das Rascheln schwarzer Stoffe. Diese leise Sinnlichkeit kontrastiert mit der Disziplin des Klosterlebens und lässt unterschwellig eine Spannung entstehen, die nicht religiös, sondern existenziell ist.
Insgesamt wirkt dieser Anfang wie der Auftakt zu einer Geschichte über das Erwachen – des Denkens, des Begehrens, der Selbstbestimmung. Ein stiller Ort wird zum Brennpunkt von Leben, das sich nicht länger in den Mauern halten lässt.

Ich würde sehr gerne weiterlesen!