Beeindruckend modern: Alba de Céspedes’ Blick auf weibliches Leben im Italien der 1930er

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„Was vor uns liegt“ hat mich überrascht und berührt. Alba de Céspedes gelingt es, einen Roman zu erzählen, der gleichzeitig zeitlos und ganz fest in seiner Epoche verwurzelt ist. Wir folgen acht jungen Frauen, die 1934 gemeinsam in einem römischen Konvikt leben, und erleben durch ihre Augen ein Italien, das voller Regeln, Erwartungen und Grenzen steckt. Doch gerade deshalb wirken ihre Sehnsüchte nach Freiheit, Bildung und Selbstbestimmung so stark.
Was mich besonders gefesselt hat, ist der wechselnde Fokus: Jede der Frauen bekommt ihre eigene Stimme, ihre geheimen Wünsche, ihre Konflikte. Mal geht es um verbotene Liebe, mal um künstlerische Ambitionen, mal um die Angst, gesellschaftliche Normen zu verletzen. Dieser erzählerische Wechsel macht den Roman unglaublich lebendig und facettenreich. Man erkennt, wie unterschiedlich Frauen sein können – und wie ähnlich in ihren Hoffnungen.
Auch die Atmosphäre fand ich eindrucksvoll. De Céspedes beschreibt das strenge Internatsleben mit einer Genauigkeit, die manchmal fast beklemmend wirkt, aber nie trocken ist. Die Autorin beobachtet fein, oft mit leiser Ironie, und schafft immer wieder kleine Momente der Rebellion, die beim Lesen ein warmes Lächeln hinterlassen.
Trotz des historischen Settings fühlt sich vieles überraschend modern an: die Frage danach, wie viel Freiheit Frauen zugestanden wird, wie sie ihren eigenen Weg finden, und welche Kompromisse sie eingehen müssen. Genau das macht das Buch für mich so relevant.
Mein persönliches Highlight: De Céspedes’ Fähigkeit, die inneren Spannungen ihrer Figuren sichtbar zu machen, ohne sie je bloßzustellen. Alles bleibt respektvoll, empathisch und zugleich glasklar beobachtet.