Wer könnte vergessen, schon einmal selbst über sich bestimmt zu haben?

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downey_jr Avatar

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Rom im Jahr 1934. Acht junge Frauen leben und studieren gemeinsam am Grimaldi-Konvikt. Die Regeln der Nonnen sind streng. Obwohl alle Frauen aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen, haben sie eines gemeinsam: Den Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben und nach Freiheit.

"Wer einmal die Freiheit gekostet hat, kehrt nicht mehr nach Hause zurück, und sei es nur die harmlose Freiheit, mit den Kommilitoninnen auszugehen, Vorlesungen zu besuchen und das züchtige und sorglose Leben des Grimaldi zu führen. Auch um jung zu sein und zu lachen, musste man frei sein."

Anna, Augusta, Emanuela, Milly, Silvia, Vantina, Vinca und Xenia: Jede der Frauen hat eine eingene Geschichte, oftmals auch ein Geheimnis. Eine von ihnen hat ein Kind aus einer früheren Liebesaffäre, das sie geheimhalten muss. Eine andere besteht ihre Prüfung nicht. Jede hat ihre eigenen Sorgen und Nöte. Doch sie alle wissen, dass es ein Privileg ist, hier studieren zu dürfen; und dass ihre Freiheit ein Ende haben wird, wenn sie heiraten werden - dieser Weg schien für Frauen in den damaligen Zeiten für alle schon vorbestimmt zu sein. Manche von ihnen wollten heiraten, doch andere schienen die traditionellen Erwartungen zu hinterfragen:

".... du freust dich auf deine Hochzeit. Du heiratest. Aber hast du je daran gedacht, dass du danach nicht mehr Herrin über dich selbst sein wirst? Selbst wenn du allein bist, ist da immer ein anderer Mensch, ein fremder Wille, eine Macht, die über dich bestimmt. Du darfst nicht Eigenes behalten, nicht einmal deinen Namen, du wirst einzig und allein Signor Lanzianis Frau sein; der wiederum ein Anrecht darauf hat, alles über dich zu wissen: was du tust und was du denkst, und wenn du ihm etwas verheimlichst, ist das Betrug. Selbst deine Kinder werden ihm gehören. Du bringst sie zwar zur Welt, doch laut Gesetz darf er nach Belieben über sie verfügen.“

Die Zeiten sind nicht einfach für Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen:
"Selbst wenn wir zurückkehren, werden wir doch immer schlechte Töchter und schlechte Ehefrauen sein. Wer könnte vergessen, schon einmal selbst über sich bestimmt zu haben? Und für die Leute auf dem Land ist doch eine Frau, die allein gelebt hat, eine verlorene Frau."

Alba de Céspedes Roman „Was vor uns liegt“ wurde 1940, zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung, von den faschistischen Behörden zensiert – noch ein Grund, weshalb ich mich über diese Neuübersetzung von Esther Hansen gefreut hatte.

„Was vor uns liegt“ ist ein leiser, langsamer Roman, der mir stellenweise etwas zu langatmig war; einige Charaktere blieben mir zu oberflächlich. Dennoch hat mir dieser feministische Klassiker insgesamt gut gefallen & ich vergebe 4 Sterne.