Ein "must have" (dickes) Buch

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Was wir scheinen ist für mich eines der "must have" (dicken) Bücher aus dem Frühling 2021. Ich war immer schon vom Werk Hannah Arendts fasziniert und hoffe, dass nun in Romanform die Lebens- und Reisegeschichte dieser beeindruckenden Frau (hoffenlich vielen) Menschen erreicht.

Für mich ist es eine besondere Leistung der Autorin Hildegard E. Keller, dass sie eine Form zwischen Realität und Fiktion findet, die Hannah Arendt (und viele ZeitgenössInnen aus Kunst und Politik) wieder ins Leben zurückzuholen scheint... und zwar ganz nahbar und weit weg von Podesten, auf die so bedeutende Persönlichkeiten oft gehoben werden. Keller schreibt für LeserInnen "auf Augenhöhe mit der Hauptfigur... mit ihren Augen die Welt sehen[d]". Das sorgt nicht nur für Sympathie und Empathie, sondern auch für ein flüssiges Leseerlebnis. Ich konnte das Buch nur schwer aus den Händen legen und habe in fast jeder freien Minute weitergeschmökert.

Zudem gibt es zahlreiche Geschichten mit erschreckend großem Aktualitätsbezug, wie z.B. ein Leserbrief Hannahs bezüglich James Baldwins Essay über Negro Question im New Yorker oder Fake News, die im Buch als "Big Lie" bezeichnet werden: "Realität ist begrenzt, aber hier sind die Möglichkeiten unbegrenzt." Wie wahr.

"Was wir scheinen" ist ein Buch mit uneingeschränkter Leseempfehlungen für alle LeserInnen, die gerne über und von starken Frauen lesen und gleichzeitig gut unterhalten werden möchten. Durch das Buch ist meine etwas schlummernde Neugier auf Hannah Arendt wieder aufgeweckt worden und mir werden so einige Passagen daraus lange im Gedächtnis bleiben, z.B. mein Lieblingszitat und vielleicht so etwas wie ein Mantra bezüglich des Miteinanders in Zeiten von gespaltenen Gesellschaften:

"Vielleicht können Sie sich entschließen, es in diesem Falle so zu halten, wie ich; nämlich, dass Menschen mehr wert sind als ihre Meinungen, aus dem einfachen Grunde, weil Menschen de facto mehr sind, als was sie denken oder tun."