Kein Easyread, interessanter Austausch zwischen Arendt und Student*innen

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janine_napirca Avatar

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Was wir scheinen von Hildegard E. Keller ist ein biographisch angehauchter fiktiver Roman über das Leben Hannah Arendts, geschildert aus ihrer eigenen Perspektive, erzählt zu unterschiedlichen Zeitabschnitten. Dabei wechselt die Perspektive stets vom Sommer 1975 in Tegna in der Schweiz in eine vorangegangene Episode ihres Lebens - beginnend in den 40er Jahren zur Zeit des Zweiten Weltkriegs über die Nachkriegsjahre und den Eichmannprozess bis hin zum Ende der 60er Jahre. Schauplätze sind neben Manhattan auch Deutschland, Italien und Jerusalem.

Wir lernen Arendt in Gedanken, im direkten Dialog und im Briefwechsel kennen, zum einen als Professorin, zum anderen als Journalistin und Schriftstellerin, aber auch als Menschen. Sie ist eine große Kant- und Brecht-Verehrerin, insgeheim aber auch ein inniger Maigret-Fan, außerdem bewegt sie sich gerne in Kreisen Intellektueller wie beispielsweise Ingeborg Bachmann, Gerhard Scholem, Kurt Blumenfeld, Uwe Johnson, Martin Heidegger, Karl Jaspers oder zu Lebzeiten Walter Benjamin. Einen wichtigen Raum nimmt auch ihr Zigarettenkonsum, das so genannte Rahel-Buch und der bereits erwähnte Eichmannprozess ein.

Der Roman ist definitiv kein Easyread und für jemanden, der sich bislang noch überhaupt nicht mit der Thematik auseinandergesetzt hat, ist es erstmal ein wenig anstrengend, in die Geschichte reinzufinden. Was ich sehr interessant fand, waren die Szenen in denen Arendt sich mit ihren Student*innen austauscht und ich habe auf jeden Fall die Message für mich mitgenommen, dass es immer sehr wichtig ist, selbst zu denken.

Sehr große Kritik richte ich an den Verlag für die unkommentierte Verwendung des ausgeschriebenen Z-Worts und N-Worts, egal ob Fiktion oder Zitate - das ist im Jahr 2021 auf keiner Fall mehr so hinzunehmen und verurteile ich auf’s Schärfste. Außerdem möchte ich mich von Arendts Geschlechtervorstellungen distanzieren und ich möchte auch betonen, dass ich nicht der Meinung bin, ein Mensch, der studiert hat, wäre für die Gesellschaft wertvoller als jemand, der keine akademische Laufbahn eingeschlagen hat.