Was wir scheinen

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conny bee Avatar

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Ich hatte zu Beginn des Buches nur Grundlagenwissen zu Hannah Arendt: den groben Steckbrief mit Veröffentlichungen. Ich hatte gehofft durch das Buch mehr über sie zu erfahren und in ihre Gedankenwelt abzutauchen.
Ich kann auch gleich zu Beginn dieser Rezension sagen: ich habe mehr erfahren, aber nicht aufgrund der Lektüre sondern weil ich mich zur Extrarecherche in die Tiefen des Internets begeben habe um Informationen nachzurecherchieren.

Schon zu Beginn merkt man als Leser: dieses Buch ist schwere Kost, es hat eine sehr literarische, bildhafte Sprache. Sie ist sehr schön und an manchen Stellen genau passend auch das sie sich mit der Lyrik abwechselt, was mal etwas total Neues. An anderen Stellen ist sie jedoch auch überzogen und anstrengend, wenn man zum Beispiel zwischen den Sprachen wechselt. Ich kann zwar Englisch und Französisch, die Einschübe haben mich trotzdem manchmal aus dem Lesefluss geworfen. Auch die Zeitsprünge waren mir manchmal unklar. Abschnittsweise hingen Sie miteinander zusammen und haben genauer erklärt, wenn Hannah zum Beispiel erst an dem Ort ist (1955) und dann auf die Situationen zurück blickt (1975) fand ich es absolut stimmig. Manchmal wechselt es aber auch abrupt zwischen wichtigen Situationen, sodass man leicht den Faden verliert.

Neben dem - am Besten schon vorhandenen - Wissen über Hannah Arendt sollte man sich auch so in der großen Politikgeschichte und Literatur auskennen, denn Hannah hatte viele wichtige Bekanntschaften, die sie nur beim Vornamen nennt oder auch beim Spitznamen. Während Camus oder Sartre natürlich ein Begriff sind, waren Walter Benjamin und Uwe Johnson nur Schemen. Hier hätte ich mir ein Personenregister gewünscht, das eventuelle Stichpunkte der Begegnungen eindeutig verknüpft und mir so auch weitere Recherche erleichtert.

All diese Kritikpunkte sind aber der Aufbau das Drumherum und leider lenken sie zu sehr ab von den wichtigen Themen, den Beweggründen von Hannah Arendt und ihrem Blick auf die Welt. Die, wenn man konzentriert liest, noch nachhallen, aufrütteln und bewegen. Diese Spurensuche macht das Buch eindeutig einzigartig und wichtig...wenn sie nur nicht so mühsam wäre!