Berührend und einfühlsam erzählt

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melb2508 Avatar

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We burn daylight ist ein fast 500 Seiten umfassender Roman, den ich dennoch an einem (verregneten) Sonntag komplett durchgelesen habe. Der Zeitraum, in dem sich die Geschichte abspielt ist recht kurz - Januar bis März 1993. Erzählt wird abwechselnd aus Sicht der beiden Protagonisten Roy und Jaye - beide 14 Jahre alt. Roy ist der Sohn des Sheriff von Waco, Texas. Sein älterer Bruder ist ein Marine und im Irak stationiert. Jaye hat ihren Namen selbst gewählt, als sie entscheidet, ihre Mutter zu begleiten, die sich entschlossen hat, ihren Mann und ihr Zuhause in Südkalifornien zu verlassen, um sich der Gruppe um Perry, der sich Lamb nennt, anzuschließen und auf seiner Ranch in Texas zu leben. Die Gruppe lebt in einer sektenartigen Kommune, die Kinder besuchen keine Schule, statt dessen gibt es täglichen Bibelunterricht, es gibt keine Toiletten und jede/r der Gruppe leistet täglich seinen Beitrag zu den Arbeiten, die anfallen.
Jaye bleibt bei der Gruppe und ihrer Mutter, obwohl sie die "Lehre", die Lamb verbreitet, sehr skeptisch sieht und vor allem ihm, den Anführer, nicht vertraut.
Jaye und Roy lernen sich kennen und verlieben sich ineinander - doch im Hintergrund braut sich eine Katastrophe zusammen...

Ich habe den Roman wirklich absolut gern gelesen und bin richtig in der Geschichte versunken. Die wechselnden Perspektiven der beiden jungen Menschen wurde gut getroffen und oft aufgelockert durch Auszüge aus einem Podcast, der im Jahr 2023/2024 aufgezeichnet wurde. Dieser Zeitsprung passte immer gut zum jeweiligen Text in der Geschichte und war ein echtes Highlight für mich - vor allem nach Lesen des Epilogs, der ebenfalls zu dieser Zeit spielt.
Die Geschichte hat mich tief berührt und entrollte sich sehr bildhaft vor meinen Augen. Ich konnte die kargen Wohnverhältnisse von Jaye und ihrer Mutter vor meinem inneren Auge sehen, die schlechten Gerüche aus den Eimern, in denen sie ihre Notdurft verrichten mussten, riechen und den Hunger, dem sie ausgesetzt waren, spüren. Aber auch Roys Leben war absolut plastisch dargestellt - die Mutter, die ihren älteren Sohn so unfassbar vermisst und voller Angst um ihn ist, der Vater, der wie sein Vater der Sheriff der Stadt ist und dies nie in Frage gestellt hat, der beste Freund, der ebenfalls seine Probleme hat - und Roy, ein 14jähriger Junge, der unsicher ist, wer er ist und wo sein Platz sein wird und der vollkommen fasziniert ist von Jaye, es aber nie so richtig rüberbringen kann.
Die Geschichte ist inspiriert von der realen Tragödie, die sich 1993 in Waco abspielte, als das FBI die Sekte Branch Davidians belagerte und schließlich das Anwesen stürmte.
Ich kann das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen! Schreibstil, Inhalt und Schluss haben mich überzeugt und ich bin wirklich begeistert!