Lamm ohne Charisma
Waco, 1993: Sektenführer Perry Cullen, genannt "Lamb", hat seine Jünger schon lange gewarnt: Das Jüngste Gericht steht bevor. Während vor seiner Farm das FBI aufmarschiert, bewaffnet Lamb die Seinen bis an die Zähne, um die finale Schlacht, wie in der Offenbarung des Johannes vorhergesagt, für sich zu entscheiden. Draußen verfolgt der 14-jährige Roy, Sohn des Sheriffs, die Aktionen rund um die Farm mit besonderem Interesse. Schließlich ist nicht nur sein Vater involviert, sondern auch seine gleichaltrige Freundin Jaye, deren Mutter eine der neuesten Anhängerinnen des Lamms ist....
"We Burn Daylight" ist der neue Roman von Bret Anthony Johnston, der in der deutschen Übersetzung aus dem Amerikanischen von Sylvia Spatz bei C. H. Beck erschienen ist. Johnston vereint darin tatsächliche Vorkommnisse aus dem Jahre 1993 mit einer fiktiven Liebesgeschichte zwischen den beiden Jugendlichen Jaye und Roy. Im texanischen Waco versammelte David Koresh vor gut 30 Jahren seine "Branch Davidians" und sah sich 51 Tage lang einer Belagerung durch das FBI ausgesetzt, nachdem sich die schwer bewaffnete Sekte kurz zuvor mit Waffengewalt gegen eine geplante Razzia wehrte. Nur neun der 85 Sektenmitglieder überlebten das Drama, das zu einem weltweiten medialen Ereignis wurde.
Bereits der Titel unterstreicht die Ambitionen des Autors, bezieht er sich doch auf ein Zitat aus William Shakespeares "Romeo und Julia". Gemeint damit ist, dass in einer dringlichen Situation Zeit verschwendet wird, was man wiederum auf die Lage von Roy und Jaye beziehen kann, die aufgrund der gesellschaftlichen Trennung - hier die Sekte, dort die konservative Familie des Sheriffs - einfach nicht zueinander finden. Damit auch der letzte Leser versteht, dass es sich bei dem Buch um eine "moderne Romeo-und-Julia-Geschichte" handeln soll, erhalten die beiden Hauptfiguren also wenig subtil Namen mit denselben Anfangsbuchstaben. Wobei der Vergleich ein wenig hinkt, denn die Beziehung der beiden Jugendlichen wird eigentlich nur von Lamb mit Argwohn betrachtet, da Johnston ihm andichtet, selbst Interesse an dem Mädchen zu haben.
Seine Stärken hat "We Burn Daylight" vor allem zu Beginn. Bret Anthony Johnston startet mit einer ebenfalls an Koresh erinnernden Radioansprache des Sektenführers und wechselt multiperspektivisch zwischen Roy und Jaye hin und her, wobei er immer wieder Stücke eines 30 Jahre nach den Ereignissen veröffentlichten Podcasts einfließen lässt. Das ist formal durchaus aufregend und abwechslungsreich, verliert aber mit zunehmender Dauer seinen Reiz. Die Podcast-Beiträge werden nämlich zu häufig und auch zu wild durcheinander gewürfelt eingeschoben, so dass man ein wenig Mühe hat, die einzelnen Zeitzeuginnen auseinanderzuhalten. Zudem wiederholt sich vieles und wird dadurch redundant. Ohnehin krankt "We Burn Daylight" an seinem Umfang von fast 500 Seiten, da nicht über die volle Distanz die Spannung aufrechterhalten wird.
Ähnlich wie in seinem Erfolgsroman "Justins Heimkehr" von 2016 nimmt Johnston auch diesmal die Perspektive jugendlicher Hauptfiguren ein. Dies gelingt ihm jedoch nur teilweise ansprechend. Während die Figuren einzeln jeweils zu überzeugen wissen, wird es bei deren Zusammentreffen zum Teil unglaubwürdig. Die innerlich unsichere Jaye präsentiert sich viel zu erwachsen und denkt schon an Hochzeit und Roy nimmt die erste Liebe äußerlich gleichmütig mit großem Interesse an Küssen hin. Hier wirken die beiden viel zu gefestigt.
Ohnehin ist die Figurenkonzeption nicht immer gelungen. Allen voran Lamb gleicht eher einer Witzfigur, einem stumpfsinnigen Hanswurst, so dass nicht klar wird, was überhaupt das Charisma dieses Gurus ausmacht. Die gelungenste Figur überhaupt ist Roys bester Freund Coop, der die Sorgen und Nöte eines amerikanischen Jugendlichen viel besser repräsentiert als die Protagonisten. Umso trauriger ist, dass sowohl der Autor als auch die anderen Figuren diesen treuen Freund und Gefährten verraten, ohne näher auf die Details eingehen zu können.
Gelungen - und gleichzeitig erschreckend - ist, wie aktuell "We Burn Daylight" wirkt, obwohl der Roman ja überwiegend 1993 spielt. Da sind die Diskussionen um Waffenbesitz, da ist das unreflektierte Folgen von Verschwörungstheorien oder auch, wie weit Medien gehen dürfen. Ebenfalls stark ist, dass Bret Anthony Johnston die Anhänger des Kults nicht per se verurteilt, sondern genauso ambivalent darstellt wie den Einsatz der Behörden. Da kann das Finale leider nicht mithalten, in dem nur noch ein wenig lieb- und einfallslos über die Geschehnisse nach der Belagerung berichtet wird.
Insgesamt ist "We Burn Daylight" eine ambitionierte, aber nur in Ansätzen gelungene Mischung aus Liebesroman, Sektendrama und Krimi, die jedoch nicht die Tiefe ähnlicher Romane wie beispielsweise Emma Clines "The Girls" erreicht.
"We Burn Daylight" ist der neue Roman von Bret Anthony Johnston, der in der deutschen Übersetzung aus dem Amerikanischen von Sylvia Spatz bei C. H. Beck erschienen ist. Johnston vereint darin tatsächliche Vorkommnisse aus dem Jahre 1993 mit einer fiktiven Liebesgeschichte zwischen den beiden Jugendlichen Jaye und Roy. Im texanischen Waco versammelte David Koresh vor gut 30 Jahren seine "Branch Davidians" und sah sich 51 Tage lang einer Belagerung durch das FBI ausgesetzt, nachdem sich die schwer bewaffnete Sekte kurz zuvor mit Waffengewalt gegen eine geplante Razzia wehrte. Nur neun der 85 Sektenmitglieder überlebten das Drama, das zu einem weltweiten medialen Ereignis wurde.
Bereits der Titel unterstreicht die Ambitionen des Autors, bezieht er sich doch auf ein Zitat aus William Shakespeares "Romeo und Julia". Gemeint damit ist, dass in einer dringlichen Situation Zeit verschwendet wird, was man wiederum auf die Lage von Roy und Jaye beziehen kann, die aufgrund der gesellschaftlichen Trennung - hier die Sekte, dort die konservative Familie des Sheriffs - einfach nicht zueinander finden. Damit auch der letzte Leser versteht, dass es sich bei dem Buch um eine "moderne Romeo-und-Julia-Geschichte" handeln soll, erhalten die beiden Hauptfiguren also wenig subtil Namen mit denselben Anfangsbuchstaben. Wobei der Vergleich ein wenig hinkt, denn die Beziehung der beiden Jugendlichen wird eigentlich nur von Lamb mit Argwohn betrachtet, da Johnston ihm andichtet, selbst Interesse an dem Mädchen zu haben.
Seine Stärken hat "We Burn Daylight" vor allem zu Beginn. Bret Anthony Johnston startet mit einer ebenfalls an Koresh erinnernden Radioansprache des Sektenführers und wechselt multiperspektivisch zwischen Roy und Jaye hin und her, wobei er immer wieder Stücke eines 30 Jahre nach den Ereignissen veröffentlichten Podcasts einfließen lässt. Das ist formal durchaus aufregend und abwechslungsreich, verliert aber mit zunehmender Dauer seinen Reiz. Die Podcast-Beiträge werden nämlich zu häufig und auch zu wild durcheinander gewürfelt eingeschoben, so dass man ein wenig Mühe hat, die einzelnen Zeitzeuginnen auseinanderzuhalten. Zudem wiederholt sich vieles und wird dadurch redundant. Ohnehin krankt "We Burn Daylight" an seinem Umfang von fast 500 Seiten, da nicht über die volle Distanz die Spannung aufrechterhalten wird.
Ähnlich wie in seinem Erfolgsroman "Justins Heimkehr" von 2016 nimmt Johnston auch diesmal die Perspektive jugendlicher Hauptfiguren ein. Dies gelingt ihm jedoch nur teilweise ansprechend. Während die Figuren einzeln jeweils zu überzeugen wissen, wird es bei deren Zusammentreffen zum Teil unglaubwürdig. Die innerlich unsichere Jaye präsentiert sich viel zu erwachsen und denkt schon an Hochzeit und Roy nimmt die erste Liebe äußerlich gleichmütig mit großem Interesse an Küssen hin. Hier wirken die beiden viel zu gefestigt.
Ohnehin ist die Figurenkonzeption nicht immer gelungen. Allen voran Lamb gleicht eher einer Witzfigur, einem stumpfsinnigen Hanswurst, so dass nicht klar wird, was überhaupt das Charisma dieses Gurus ausmacht. Die gelungenste Figur überhaupt ist Roys bester Freund Coop, der die Sorgen und Nöte eines amerikanischen Jugendlichen viel besser repräsentiert als die Protagonisten. Umso trauriger ist, dass sowohl der Autor als auch die anderen Figuren diesen treuen Freund und Gefährten verraten, ohne näher auf die Details eingehen zu können.
Gelungen - und gleichzeitig erschreckend - ist, wie aktuell "We Burn Daylight" wirkt, obwohl der Roman ja überwiegend 1993 spielt. Da sind die Diskussionen um Waffenbesitz, da ist das unreflektierte Folgen von Verschwörungstheorien oder auch, wie weit Medien gehen dürfen. Ebenfalls stark ist, dass Bret Anthony Johnston die Anhänger des Kults nicht per se verurteilt, sondern genauso ambivalent darstellt wie den Einsatz der Behörden. Da kann das Finale leider nicht mithalten, in dem nur noch ein wenig lieb- und einfallslos über die Geschehnisse nach der Belagerung berichtet wird.
Insgesamt ist "We Burn Daylight" eine ambitionierte, aber nur in Ansätzen gelungene Mischung aus Liebesroman, Sektendrama und Krimi, die jedoch nicht die Tiefe ähnlicher Romane wie beispielsweise Emma Clines "The Girls" erreicht.