Schwer auszuhalten

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meggie3 Avatar

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Es ist das Jahr 1993 in Waco, Texas. Die 14-jährige Jaye ist gemeinsam mit ihrer Mutter aus Kalifornien auf die Ranch des religiösen Führers Lamb gekommen. Ihre Mutter war ihm in den vergangenen Monaten verfallen. Jaye kann mit den religiösen Überzeugungen und der Lebensweise auf dem Anwesen wenig anfangen, auch mit den anderen Menschen dort tut sie sich eher schwer.

Roy ist ebenfalls 14 und lebt mit seiner Mutter und seinem Vater, dem örtlichen Sheriff, in Waco. Sein älterer Bruder ist im Irak. Hobbymäßig beschäftigt sich Roy mit dem Knacken von Schlössern und arbeitet daran, über die Trennung von seiner Freundin hinwegzukommen.

Auf einer Waffenshow laufen sich Jaye und Roy erstmals über den Weg. Über die nächsten Wochen nähern sich die Beiden an. Gleichzeitig gerät die Sekte um Lamb mehr und mehr in den Fokus der Ermittlungsbehörden. Die Situation spitzt sich zu. Als zunächst ATF und dann auch das FBI versuchen, sich Zugang zu der Ranch der Sekte zu verschaffen, eskaliert die Situation.

Der Roman orientiert sich an der realen Tragödie von Waco und der Sekte Branch Davidians, weicht in einigen Punkten aber von den realen Geschehnissen ab.
Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven der Teenager Jaye und Roy. Unterbrochen werden die kurzen Kapitel von Interviewausschnitten eines Podcasts, der sich im Jahr 2024 mit den dramatischen Ereignissen von 1993 auseinandersetzt. Gäste des Podcasts sind verschiedene Personen, die 1993 in unterschiedlicher Form beteiligt waren (Sektenmitglieder, der Sheriff, ATF-Mitarbeiter etc.).

Auf der einen Seite wird die zarte Liebesgeschichte von Jaye und Roy erzählt, die sich langsam entwickelt und intensiviert. Auch die „normalen“ Unsicherheiten der beiden Teenager werden authentisch beschrieben. Auf der anderen Seite wird im ersten Teil des Romans die Anbahnung der Katastrophe von Waco beschrieben, die zu jeder Zeit unterschwellig präsent ist. Die zweite Romanhälfte befasst sich dann mit der Belagerung der Ranch durch die US-Behörden und deren furchtbarem Ende.

Aufgrund der Tatsache, dass einem beim Lesen des gesamten Romans klar ist, was letztlich in Waco passiert bzw. aus Romanperspektive noch passieren wird, fand ich das Lesen sehr bedrückend und auch düster. Dies zieht sich durch den gesamten Roman, schon beim ersten Aufeinandertreffen von Jaye und Roy schwebte für mich die sich anbahnende Tragödie über allem. Ich habe das als sehr intensiv wahrgenommen, was für mich das Lesen schwer gemacht. Gleichzeitig finde ich die gewählten Teenagerperspektiven sehr gelungen: Auf der einen Seite Jaye, die sich auf der Ranch im Dunstkreis von Lamb befindet, und auf der anderen Seite Roy, der als Sohn des Sheriffs versucht, Infos zu bekommen und das Schlimmste zu verhindern. Die Sorgen, die er sich während der Einkesselung der Ranch der Sekte macht, sind auch bei mir als Leserin intensiv angekommen. Ich habe den Schreibstil zum Teil als etwas distanziert wahrgenommen, wobei ich diesen in Anbetracht der doch sehr aufwühlenden Ereignisse auch sehr angemessen finde. Allerdings habe ich als Leserin zum Teil auch Roy und Jaye gegenüber eine gewisse Distanz empfunden und mich teilweise etwas schwer damit getan, den Beiden zu folgen.

Mir ist während des Lesens erneut aufgefallen, dass ich das Verhältnis der Menschen in der beschriebenen Region in Texas zu Waffen und dem Besitz von Waffen absolut nicht nachvollziehen kann. Gleichzeitig hat mir der Roman dahingehend nochmal einiges verdeutlicht, genauso wie den Einfluss, die die Katastrophe von Waco bis heute in der Diskussion um Waffenbesitz in den USA hat. Spannend finde ich auch, wie sich die Sekte finanziert hat und welche Rolle Waffen und Waffenshows gespielt haben.

Generell finde ich die Mischung aus Realität und Fiktion sehr gelungen. Ein wenig Eigenrecherche zu Waco und der Sekte Branch Davidians habe ich automatisch bei Leseunterbrechungen betrieben, da viel angerissen wird und ich mich regelmäßig gefragt habe, ob das Fiktion oder Fakt ist. Dadurch habe ich auch noch einiges über den Roman hinaus über die Sekte und auch die politische Dimension und die Umstrittenheit des Eingreifens der US-Behörden. Ich hätte mir allerdings noch ein bisschen mehr Tiefe bei der Beschreibung des Sektenführers Lamb gewünscht.

„We burn daylight“ regt definitiv zum Nachdenken und zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem Thema an. Der Roman ist intensiv und war für mich oftmals schwer auszuhalten – ein Roman, der - wie es so schön heißt – noch lange nachhallt.