Weder „warmherzig“ noch „schonungslos“
Auf dem Cover von Bret Anthony Johnstons zweitem Roman „We Burn Daylight“ ist ein Zitat des Lobes vom The Boston Globe abgedruckt, welches in seiner Kürze sagt: „So warmherzig wie schonungslos“. Leider kann ich in diesem Roman beides nicht oder nur minimal angedeutet erkennen. Um noch weiter zu gehen: Der Roman, der seinen Plot an die realen Ereignisse eines missglückten Behördeneinsatzes gegenüber einer dubiosen, christlichen Sekte in Texas in 1993 entlang führt, hat mich wirklich enttäuscht.
Auf Plotebene verfolgen wir als Hauptfiguren zwei Teenager, Roy und Jaye, die beide 14 Jahre alt sind und sich ineinander verlieben. Nur, dass Jaye mit ihrer Mutter innerhalb der Sekte lebt und Roy der Sohn des Sheriffs ist. Somit stehen sie scheinbar auf zwei verschiedenen Seiten dieser Geschichte, was sie, mit der Deutung des Buchtitels „We Burn Daylight“ als Shakespeare-Zitat aus „Romeo und Julia“ die beiden jugendlichen Liebenden zu einem modernen Romeo-und-Julia-Equivalent machen. Tragisch geht nicht nur das Original von Shakespeare aus, sondern tragisch sind auch die Geschehnisse um die mit schweren Waffen ausgestatteten Sekte und eine schief gelaufende Razzia mit anschließender Belagerung des Farmgeländes.
Auf den ersten Blick haben mir sehr viele stilistische Entscheidungen des Autors wirklich gefallen, aber er konnte sie einfach in meinen Augen nicht gut umsetzen. So entscheidet sich Johnston dafür, das fast 500 Seiten starke Buch in vier große Abschnitte und einen Prolog einzuteilen. Die vier Teile des Buches sind nach den vier Pferden der Apokalyptischen Reiter benannt. Das weiße Pferd steht für Jesus, das feuerrote Pferd für den Krieg, das schwarze Pferd für Hunger und das fahle Pferd für den Tod. Die Handlung in diesen vier Teilen, welche sich in einem sehr engen Zeitraum von Januar 1933 bis März 1993 bezogen auf die Ereignisse auf der Farm des Sektenführers abspielen, soll somit unten diesen Vorzeichen der vier Apokalyptischen Reiter stehen. Das passt zu Beginn noch gut, wenn uns Perry Cullen, der sich zukünftig nur noch „Lamb“ (also wie „das Lamm Gottes“) nennt, als selbsternannter Prophet, der seine Schäfchen zu sich ruft, vorgestellt wird. Das passt inhaltlich in die Teilüberschrift, allerdings passt die Figur nicht, aber dazu später mehr. Mitunter stellt er sich Jesus gleich somit passt zu ihm das weiße Pferd. Allerdings schon im zweiten Teil, wenn man den „Krieg“ erwartet, passiert noch gar nicht das, was dort eigentlich reingehören würde: nämlich die gewaltsame Razzia. Und auch die folgenden Überschriften halten – ohne hier ins Detail zu gehen – nicht, was sie versprechen. Mit kleinen Verschiebungen innerhalb der Ploteinteilung zu den Teilüberschriften hätte diese strukturelle Idee meines Erachtens wirklich sehr gut werden können.
Die nächste sehr gute stilistische Idee des Autors ist neben den wechselnden personalen Kapiteln zwischen Roy und Jaye auch noch Kapitel einzuflechten, die Ausschnitte aus Podcast-Sendungen beinhalten. Dieser Podcast ist dreißig Jahre nach den Ereignissen in Waco, Texas, angesiedelt und beinhaltet Interviews von verschiedenen Beteiligten der damaligen Ereignisse. Diese Möglichkeit der Rückschau auf die fatalen Geschehnisse in 1993 wäre ein perfektes Stilmittel gewesen, um das Geschehene nachträglich einzuordnen. Leider verschießt auch hier Johnston sein Pulver, da die Personen einfach mitunter so schwer auseinanderzuhalten sind, dass man über die 500 Seiten hinweg mitunter den Überblick verliert, wer hier eigentlich wer ist. Auch erscheinen mit die Interviewauszüge mitunter wenig hilfreich, was die Handlung betrifft, wenngleich sie durchaus auch aufzeigen, welche Fehlentscheidungen hier auf Seiten der Regierungsorganisationen getroffen wurden, die zur Verschlimmerung der Situation auf der belagerten Farm beigetragen haben. So muss ich Johnston zugestehen, dass er sowohl auf Seiten der Sektenanhänger als auch auf Seiten der Regierungsorganisationen verschiedene Akzente setzt, was Fehler aber auch positive Aspekte angeht.
Was mich allerdings stilistisch am meisten gestört hat ist, wie die Figuren konstruiert sind und vor allem wie sie miteinander umgehen. Sowohl im Kleinen, wenn sie miteinander kommunizieren als auch im Großen, wenn es um Entscheidungen innerhalb ihrer Beziehung zueinander geht. Vieles ist einfach unplausibel und psychologisch nicht nachvollziehbar. Und leider betrifft dies auch wirklich alle Figuren. Sie sind meines Erachtens wirklich in sich nicht gut entworfen und dargestellt. Allen voran natürlich Lamb selbst, der im Klappentext als „charismatisch“ beschrieben wird. An keiner Stelle des Romans wurde mir klar, warum diese Menschen ihm folgen in seinen wilden Prophezeiungen, außer eine Mörderin auf der Flucht und die portugiesische Familie, die als Illegale in den USA leben. Aber ehrlich, gerade aus Portugal?! Na ja, aber bei denen weiß man wenigstens, dass sie einfach nur in erster Linie pragmatisch einen Unterschlupf brauchten, der scheinbar von den Behörden unbeachtet bleibt.
Von allen stilistischen Fragen abgesehen, muss ich betonen, dass vielleicht dieses Buch besser funktioniert hätte, wenn es dann nicht auch noch 500 Seiten lang gewesen wäre. Ich empfand den Roman so dermaßen zäh, dass ich zwischendurch sogar eine Pause machen musste, weil es sich wie Treibsand anfühlte. Der Autor verwendet viel zu viel Zeit mit Nebensächlichkeiten und schafft es nicht, die Handlung knackig zu gestalten. Wenn dann auch noch keine plausiblen Figuren – ob sie nun Sympathieträger oder nicht wären, aber leider haben die Figuren fest keinerlei Regung bei mir ausgelöst – existieren, die den Roman tragen und die Sprache nur mittelmäßig ausfällt, zeihen sich 500 Seiten wie Gummi. Hier kann ich nur ein Zitat aus dem Buch anbringen:
„Was immer gesendet wurde, ich schaute es mir an. Ich konnte nicht wegsehen. Niemand konnte das. Wir waren alle Geiseln.“ Hier geht es zwar um die fragwürdige Medienberichterstattung über die Belagerung der Sekte, aber es könnte auch eine Beschreibung sein, wie ich mich beim Lesen fühlte: Wie eine unfreiwillige Geisel. Ich musste das Buch lesen, weil es ein Rezensionsexemplar ist, hätte es aber eindeutig abgebrochen, wenn dieser Zwang nicht dagewesen wäre.
Somit kann ich dieses Buch leider nicht weiterempfehlen. Es trägt gute schriftstellerische Ideen in sich, die allerdings nicht gut ausgeführt wurden.
2,5/5 Sterne
Auf Plotebene verfolgen wir als Hauptfiguren zwei Teenager, Roy und Jaye, die beide 14 Jahre alt sind und sich ineinander verlieben. Nur, dass Jaye mit ihrer Mutter innerhalb der Sekte lebt und Roy der Sohn des Sheriffs ist. Somit stehen sie scheinbar auf zwei verschiedenen Seiten dieser Geschichte, was sie, mit der Deutung des Buchtitels „We Burn Daylight“ als Shakespeare-Zitat aus „Romeo und Julia“ die beiden jugendlichen Liebenden zu einem modernen Romeo-und-Julia-Equivalent machen. Tragisch geht nicht nur das Original von Shakespeare aus, sondern tragisch sind auch die Geschehnisse um die mit schweren Waffen ausgestatteten Sekte und eine schief gelaufende Razzia mit anschließender Belagerung des Farmgeländes.
Auf den ersten Blick haben mir sehr viele stilistische Entscheidungen des Autors wirklich gefallen, aber er konnte sie einfach in meinen Augen nicht gut umsetzen. So entscheidet sich Johnston dafür, das fast 500 Seiten starke Buch in vier große Abschnitte und einen Prolog einzuteilen. Die vier Teile des Buches sind nach den vier Pferden der Apokalyptischen Reiter benannt. Das weiße Pferd steht für Jesus, das feuerrote Pferd für den Krieg, das schwarze Pferd für Hunger und das fahle Pferd für den Tod. Die Handlung in diesen vier Teilen, welche sich in einem sehr engen Zeitraum von Januar 1933 bis März 1993 bezogen auf die Ereignisse auf der Farm des Sektenführers abspielen, soll somit unten diesen Vorzeichen der vier Apokalyptischen Reiter stehen. Das passt zu Beginn noch gut, wenn uns Perry Cullen, der sich zukünftig nur noch „Lamb“ (also wie „das Lamm Gottes“) nennt, als selbsternannter Prophet, der seine Schäfchen zu sich ruft, vorgestellt wird. Das passt inhaltlich in die Teilüberschrift, allerdings passt die Figur nicht, aber dazu später mehr. Mitunter stellt er sich Jesus gleich somit passt zu ihm das weiße Pferd. Allerdings schon im zweiten Teil, wenn man den „Krieg“ erwartet, passiert noch gar nicht das, was dort eigentlich reingehören würde: nämlich die gewaltsame Razzia. Und auch die folgenden Überschriften halten – ohne hier ins Detail zu gehen – nicht, was sie versprechen. Mit kleinen Verschiebungen innerhalb der Ploteinteilung zu den Teilüberschriften hätte diese strukturelle Idee meines Erachtens wirklich sehr gut werden können.
Die nächste sehr gute stilistische Idee des Autors ist neben den wechselnden personalen Kapiteln zwischen Roy und Jaye auch noch Kapitel einzuflechten, die Ausschnitte aus Podcast-Sendungen beinhalten. Dieser Podcast ist dreißig Jahre nach den Ereignissen in Waco, Texas, angesiedelt und beinhaltet Interviews von verschiedenen Beteiligten der damaligen Ereignisse. Diese Möglichkeit der Rückschau auf die fatalen Geschehnisse in 1993 wäre ein perfektes Stilmittel gewesen, um das Geschehene nachträglich einzuordnen. Leider verschießt auch hier Johnston sein Pulver, da die Personen einfach mitunter so schwer auseinanderzuhalten sind, dass man über die 500 Seiten hinweg mitunter den Überblick verliert, wer hier eigentlich wer ist. Auch erscheinen mit die Interviewauszüge mitunter wenig hilfreich, was die Handlung betrifft, wenngleich sie durchaus auch aufzeigen, welche Fehlentscheidungen hier auf Seiten der Regierungsorganisationen getroffen wurden, die zur Verschlimmerung der Situation auf der belagerten Farm beigetragen haben. So muss ich Johnston zugestehen, dass er sowohl auf Seiten der Sektenanhänger als auch auf Seiten der Regierungsorganisationen verschiedene Akzente setzt, was Fehler aber auch positive Aspekte angeht.
Was mich allerdings stilistisch am meisten gestört hat ist, wie die Figuren konstruiert sind und vor allem wie sie miteinander umgehen. Sowohl im Kleinen, wenn sie miteinander kommunizieren als auch im Großen, wenn es um Entscheidungen innerhalb ihrer Beziehung zueinander geht. Vieles ist einfach unplausibel und psychologisch nicht nachvollziehbar. Und leider betrifft dies auch wirklich alle Figuren. Sie sind meines Erachtens wirklich in sich nicht gut entworfen und dargestellt. Allen voran natürlich Lamb selbst, der im Klappentext als „charismatisch“ beschrieben wird. An keiner Stelle des Romans wurde mir klar, warum diese Menschen ihm folgen in seinen wilden Prophezeiungen, außer eine Mörderin auf der Flucht und die portugiesische Familie, die als Illegale in den USA leben. Aber ehrlich, gerade aus Portugal?! Na ja, aber bei denen weiß man wenigstens, dass sie einfach nur in erster Linie pragmatisch einen Unterschlupf brauchten, der scheinbar von den Behörden unbeachtet bleibt.
Von allen stilistischen Fragen abgesehen, muss ich betonen, dass vielleicht dieses Buch besser funktioniert hätte, wenn es dann nicht auch noch 500 Seiten lang gewesen wäre. Ich empfand den Roman so dermaßen zäh, dass ich zwischendurch sogar eine Pause machen musste, weil es sich wie Treibsand anfühlte. Der Autor verwendet viel zu viel Zeit mit Nebensächlichkeiten und schafft es nicht, die Handlung knackig zu gestalten. Wenn dann auch noch keine plausiblen Figuren – ob sie nun Sympathieträger oder nicht wären, aber leider haben die Figuren fest keinerlei Regung bei mir ausgelöst – existieren, die den Roman tragen und die Sprache nur mittelmäßig ausfällt, zeihen sich 500 Seiten wie Gummi. Hier kann ich nur ein Zitat aus dem Buch anbringen:
„Was immer gesendet wurde, ich schaute es mir an. Ich konnte nicht wegsehen. Niemand konnte das. Wir waren alle Geiseln.“ Hier geht es zwar um die fragwürdige Medienberichterstattung über die Belagerung der Sekte, aber es könnte auch eine Beschreibung sein, wie ich mich beim Lesen fühlte: Wie eine unfreiwillige Geisel. Ich musste das Buch lesen, weil es ein Rezensionsexemplar ist, hätte es aber eindeutig abgebrochen, wenn dieser Zwang nicht dagewesen wäre.
Somit kann ich dieses Buch leider nicht weiterempfehlen. Es trägt gute schriftstellerische Ideen in sich, die allerdings nicht gut ausgeführt wurden.
2,5/5 Sterne