Mehr würzige Kürze, bitte!

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leelo Avatar

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Achtung: Enthält Spoiler zu Band 1!

“We free the Stars” ist der zweite Band der Dilogie “Die Reiche von Arawyia” von Hafzah Faizal. Nachdem die Zumra um Zafira und Nahir auf Shar zumindest teilweise erfolgreich war, kehrt, was von der Gruppe noch übrig ist, zurück aufs Festland. Neue Umgebung, neue Zusammensetzung - die Zumra ist jetzt unvollständig und ziellos. Und das hat sich für mich sofort aufs Leseerlebnis ausgewirkt. Denn die Dynamiken, die mir im ersten Band so gut gefallen haben, fehlen. Die neuen Figuren hatten für mich nicht die Persönlichkeit und Tiefe, diesen Verlust auszugleichen. Und weil sie mir sowohl unsympathisch, als auch fern blieben, haben mich weder ihre Handlungen schockiert, noch ihre Schicksale berührt. Auch die geheimnisvolle und bedrohliche Atmosphäre der Insel hat gefehlt. Die Kalifate von Arawyia sind zwar einigermassen interessant - und es wird auch fleissig hin und her gereist - aber die Bühne war für mich weit weniger attraktiv, als noch im ersten Band, als das Setting selbst schon fast ein Charakter war.
Die Handlung insgesamt ist nicht uninteressant - hat sich aber immer wieder verzögert. Natürlich, da gibt es die inneren Konflikte der Figuren, die ihren Platz haben sollen. Für mich waren sie aber nicht pointiert genug, schienen sich immer wieder im Kreis zu drehen. Vor allem die Beziehung zwischen Nasir und Zafira hat mich mit ihrer sich wiederholenden Sprunghaftigkeit irgendwie abgehängt und schlussendlich gelangweilt - sie war zu absehbar. Absehbar waren auch die meisten Twists und Wendungen - weil die Finten für mich von Anfang an nicht glaubwürdig waren und dann auch noch immer wieder gleich aufgebaut. Wenn dann mal Action angesagt war, war diese wenig zu spüren. Denn die Figuren nehmen sich während des Kampfes ausgiebig Zeit, zu quatschen, ihre Lage und Emotionen zu analysieren, ihren Gefährten beim Kämpfen zuzusehen - das nimmt jeder Schlacht das Tempo und die Spannung.
Ich fand “We free the Stars” mit seinen über 600 Seiten zu schwerfällig und behäbig - in der Kürze wäre hier vielleicht etwas mehr Würze gelegen. Wie gesagt, die Handlung insgesamt war eigentlich ganz ansprechend. Die Geschichte des Löwen war sogar faszinierend. Und es gibt einige interessante Auflösungen. Allerdings auch einige lose Enden. Schön zu lesen war es allemal - ich mag Faizals blumigen, opulenten Stil, ihre Metaphern und die Bilder, die sie mit Worten zeichnet. Jedenfalls, wenn sie das alles nicht an Beschreibungen von Architektur und Kleidung verschwendet. Ich staune immer wieder - und verdrehe dabei ausgiebig die Augen - wie akkurat und ausschweifend ein Mädchen der Unterschicht im Stande ist, Stoffe und Architektur zu beschreiben, die es noch nie in seinem Leben gesehen hat! Ein Makel, der dem Genre scheinbar inhärent ist.

Alles in Allem habe ich die Dilogie gerne gelesen, habe die Figuren gerne kennen gelernt, mit ihnen mitgefiebert und gelitten. Ich bin aber auch froh, jetzt Lebewohl sagen zu können. Herzlichen Dank an den Droemer Knaur Verlag für das Rezensionsexemplar! Meine Meinung bleibt natürlich und wie immer trotzdem meine eigene.