Keine runde Sache

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Wenn Kindesentführung und Darknet in einem Atemzug genannt werden, schrillen nicht nur alle Alarmglocken, da entstehen im Kopf die wildesten Theorien - eine schlimmer als die andere. So erging es mir, als ich den Klappentext von Nora Benraths neuem Thriller „Wehrlos“ gelesen habe.

Der Titel ist in doppelter Hinsicht gut gewählt. Wer könnte wehrloser sein als unschuldige Kinder? Aber was, wenn gerade Kinder zu Mittätern werden? Sind sie dann trotzdem noch wehrlos? Und wer bitte kommt schon auf die Idee, dass eines von zwei spielenden Kindern das andere entführt? Eigentlich ein perfider, perfekter Plan, oder?

Nora Benrath erzählt die Story um die verschwundene Nele aus verschiedenen Perspektiven. Das hat den Vorteil, dass relativ schnell klar wird, was gerade parallel passiert. Dabei lässt sie der Fantasie ihrer Leser*innen sehr viel Freiraum. Auch wenn sich die expliziten Gewaltszenen gegenüber Kindern in Grenzen halten, sollten gerade Leser*innen, die bei den Themen Pädophilie und Menschenhandel dankend Bücher ablehnen, auch hier vorsichtig sein. Denn wie gesagt, der Fantasie sind dank der geschickten Zurückhaltung der Autorin keine Grenzen gesetzt.

Ansonsten kann ich leider nicht so viel Gutes sagen. Nachdem sich der Thriller ziemlich gut anlies, wurde es für mich genau so schnell sehr zäh. Benrath greift zwar eine gute Grundidee auf, spinnt diese für meinen Geschmack aber nicht weit genug. Immer wieder fehlte mir das letzte Fünkchen, um Spannung aufzubauen und diese voranzutreiben. Einzig die Entführungsszenen boten immer wieder etwas Feuer. Und auch hier muss ich sagen, dass mich gerade das Ende überhaupt nicht überzeugen konnte.

Ja, zugegeben, diese Auflösung war für mich so nicht vorhersehbar. Grundsätzlich nicht schlecht, tatsächlich war sie mir dann aber doch zu weit hergeholt. Außerdem machten die letzten 40 Seiten auf mich den Eindruck, als müsste nun gerade am Schluss irgendwoher noch Action kommen. Nee, das war keine Runde Sache. Schade!

Fazit: Für mich war „Wehrlos“ ein eher langatmiger Thriller, dessen Potenzial nicht gänzlich ausgeschöpft wurde. Dem Plot mangelte es an Pepp und der Autorin insgesamt an Ideen, obwohl die Grundthematik ziemlich bedrückend und glaubwürdig erscheint. Werft einen Blick in die Leseprobe und macht euch ein eigenes Bild. Vielleicht findet ihr mehr Gefallen an der Story, denn Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.