Schöne neue Spannung

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heike lohr Avatar

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Die düsteren Grautöne des verlassenen und von Nebelwolken verschleierten Spielplatzes versetzen mich in die richtige, trostlose Stimmung in welcher das Buch irgendwie geschrieben ist. Die stark reflektierten Gedanken zu unserer Smartphonegesellschaft und den Influencer-Müttern hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Erziehung und zerbrochene Partnerschaften sowie die Unfähigkeit, miteinander zu kommunizieren bestimmen diesen spannenden Thriller, Krimi.
Wir wollen dieses perfekte Verbrechen, der Kindesentführung mit Hilfe eines Kindes scheitern sehen, wollen die kleine Nele wieder bei ihrer verantwortungslosen Mutter sehen. verantwortungslos, weil die Kinder als Werbeträger von Kindermoden und Spielzeug aufreizend und verführerisch - sowie allen zugänglich - im Internet zu sehen sind.
Moralische Fragen tauchen auf. Gleichzeitig sind die unterschiedlichen Charaktere der Mütter, der Entführer und der Polizisten lebensecht dargestellt. Keine einzige Unglaubwürdigkeit nimmt der fiktiven Realität die Glaubwürdigkeit. Das hat mich das Buch so schnell wie möglich weiterlesen lassen und lesen lassen.
Die Handlungsstränge von Mutter, Polizei und Entführern sind geschickt miteinander verwoben, einmal wird aus der Perspektive der Mutter, der Tochter, der Entführer und der Polizei erzählt, so dass ich mir ein gutes Bild von allem machen kann. Es entsteht ein unglaubliches Bild der Menschen, Geschehnisse, der Zufälle und Zufälligkeiten, warum ein Verbrechen funktioniert und ob/wie es aufgedeckt wird.
Die kleine Nele leidet, Amira will wirklich mit ihr spielen und nicht nur von ihren Entführern und Pseudoeltern ausgenutzt werden. Eigentlich hätte sie umgebracht werden sollen, irgendwie wird sie auch umgebracht.
Die Reaktionen der entführten und traumatisierten Kinder sind so nachvollziehbar beschrieben, dass sie mir ans Herz gehen.
Gleichzeitig wird die Konsum- und Influencergesellschaft kritisiert sowie die Oberflächlichkeit vieler unserer heutigen sowie alltäglichen Verhaltensweisen. Wir reflektieren unser Verhalten nicht mehr.
Wer sich also eine spannende Krimilektüre wünscht, sollte unbedingt zu diesem Buch griefen. Es ist in meinen Augen spannend, unterhaltsam, nachdenklich und kritisch geschrieben. Die Psychologie der Figuren sowie ihrer Verhaltensweisen sind stimmig, nachvollziehbar und beklemmend lebensecht. Wer nicht in den gesellschaftlichen Spiegel schauen will, ist wahrscheinlich mit einem historischen Liebesroman besser bedient.
Ach ja, und es gibt eine überraschende Wendung, die zwar immer wieder angedeutet wird, die aber in ihrer vollkommenen Klarheit erst am Ende der Ermittlungen und der Begegnungen sich herausstellt. Zwischendurch werden Täter und Opferzuschreibungen verwischt, dadurch, dass die smartphon-süchtigen Mütter, speziell die Mutter der entführten Nele auch als Täterinnen gesehen werden.