Superstarke erste Hälfte, dann leider abgebaut

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fornika Avatar

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Tief unten im Wasser lebt ein Kalmar in der Dunkelheit. Zwei Tentakeln, drei Herzen und acht Arme. Acht Arme, die alle eine Geschichte erzählen können von Menschen, Tiefseekabeln, anderen Ungeheuern. Von der Zeit. Auf dem Wasser treibt ein großer Trawler, darauf Praktikantin Sanja Sanz, die ebenfalls eine Geschichte zu erzählen hat. Eine, die noch stärker mit dem Meer verbunden ist als sie denkt.
Die Idee aus der Sicht eines Kalmars oder besser gesagt aus Sicht seiner Arme zu erzählen fand ich sehr ambitioniert und außergewöhnlich, und war dann von der Umsetzung aber umso schneller überzeugt. Die Darstellung, das „Innenleben“ des Kalmars hat mir wahnsinnig gut gefallen; nicht vermenschlicht, aber doch auch emotionsgeladen. Sprachlich ruhig, fast schon poetisch zwischenzeitlich, und doch lässt sich erstaunlich viel auch über die Tiere lernen. Nicht zuletzt dadurch, dass sich die Arme zusätzlich zum eigenen Text auch noch in Fußnoten untereinander ins Wort fallen, was die Handlung auflockert und bereichert, ab und an aber auch verwirrt.
Die Erzählstränge rund um Kalmar sowie Familie Sanz & Co greifen anfangs gut ineinander, zumindest über weite Teile der Handlung; erst gegen Ende wirken die einzelnen Figuren eher abgearbeitet als zu einem passenden Ende erzählt. Das Ende bleibt etwas unbefriedigend und nicht ganz rund. Mich lässt der Roman zwiegespalten zurück. In der ersten Hälfte war ich sehr angetan, sowohl vom Inhalt wie auch vom ungewöhnlichen Aufbau der Geschichte. Doch irgendwann verliert sich die Handlung in ihren Erzählsträngen, was in einem Einschub gipfelt, der wirkt als wäre er mal eben für die anscheinend nötige Provokation des Lesers eingebastelt worden. Für mich hätte der Roman im Stile der ersten Hälfte weitergehen dürfen, denn später war es für mich dann doch zu wenig Kalmar und zu viel Kunstroman.