Angry Young Woman

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buecherwurm Avatar

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Auf dem abstrakten Cover zeichnen sich Schnittmengen in ganz neuen Nuancen ab, so wie auch beim Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft durch kulturellen Austausch das allgemeine Spektrum erweitert wird.
Im Roman erfahren wir einiges aus dem Leben zweier Schwestern mit deutscher Mutter und gemeinsamem Vater, der vor vielen Jahren aus dem Senegal einwanderte.
In Zeiten stärker werdenden Rechtsrucks ein wirklich wichtiges Thema, das von Zazie, der jüngeren der beiden Schwestern, immer wieder angesprochen wird, ist der Rassismus.
Ihr Zorn über ungerechte Strukturen setzt ergänzend auch den Feminismus in den Fokus. Fast jedes Gespräch mit ihr mündet im gesellschaftskritischen Lamento, was die - von Mental Load geplagte - ältere Schwester Dieo, Mutter dreier Söhne, oft sehr anstrengend findet. Beide haben trotzdem ein sehr enges Verhältnis zueinander. Zazie unterstützt Dieo in ihrem Alltag. Diese führt mit ihrer Familie ein komfortables Leben samt Lastenrad und Psychoanalyse. Sie hat allerdings auch einen mittelalten weißen Mann geheiratet. So denkt sie beispielsweise über ein Schwarzes Au-pair aus der Verwandtschaft nach, wovon die finanziell knappe Zazie, angehende Doktorandin, nichts hält, weil es imperialistische Strukturen verfestigt.
Die Stärke des Romans liegt eindeutig in den pointierten Dialogen.
Der Vater, von dem wir ja bereits durch den Klappentext erfahren haben, dass er im Verlauf der Handlung sterben wird, spielt über rund 250 Seiten keine tragende Rolle. Der Klappentext ist meiner Meinung nach etwas irreführend. Auch die Reise in den Senegal selbst kommt wenig ausgeschmückt, mit noch weniger Seiten aus. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, wie diese Reise was genau bewirkt. Dieo sieht ihre Verwandtschaft zum ersten Mal, leider sind ihre Eindrücke kaum ausgearbeitet.
Man erfährt wenig über das Land Senegal, umso mehr über das Leben nicht deutsch gelesener Menschen in Deutschland. Das bedeutet zu einem Großteil die kulturübergreifend immer gleichen Alltagsprobleme im Familiären
- plus die großen Fragen nach Identität und gesellschaftlicher Akzeptanz. Letztlich stellt sich die noch größere Frage nach der Verantwortung der EU in der Welt.
Ein nachdenklich machendes Buch!