Gesellschaftliche Debatten in Romanform

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merkurina Avatar

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Eigentlich ist die Ausgangssituation des Lebens, Liebens und Streitens zweier unterschiedlicher Schwestern in "Weiße Wolken" allein schon eine klassische Roman-Konstellation: Hier die Ältere, die eher angespasst, "gut verheiratet" und zielstrebig doch merken muss, dass sie durch Mutterschaft in ihrer Karriere ins Hintertreffen gerät, dafür doppelt und dreifach belastet durch den Alltag keucht. Gegensätzlich dazu ist die jüngere Schwester rebellisch, emotional, unangepasst und in ihren Vermögensverhältnissen eher prekär aufgestellt.

Innerhalb dieser Konstellation, zu der noch Ehemann und Lover sowie Eltern und Schwiegereltern dazukommen, werden alle möglichen Diskurse rund um Diskriminierung, Übergriffigkeit, Privilegiertheit und Positionierung durchgespielt.
Dieo und Zazie haben neben ihrer deutschen Mutter einen im Senegal gebürtigen Vater, dadurch sind die Elemente intersektionaler Ausschlüsse alle "irgendwie" im Spiel, werden im Roman gezeigt und verhandelt - insbesondere von Zazie ganz explizit, hochsensibel und zum Zorn bereit.

Der Roman wirkt dadurch etwas verkopft, lange hatte ich den Eindruck, dass es mir nicht gut gelingt, die Personen wirklich zu sehen und zu spüren, da ihnen und ihrem Tun so viele Etiketten und Theorien anhängen. Vielleicht auch, weil alles ein bisschen klischiert ist, ein durch und durch klischiertes Nordend zum Beispiel, ein klischeehafter alter Sozialarbeiter ohne Gespür für Me-too-Problematiken usw. Aber um ehrlich zu sein - ich lebe in Frankfurt bzw. im Rhein-Main-Gebiet - es ist möglich, alle diese Klischees exakt und unironisch in der Wirklichkeit anzutreffen. (Sehr überzeugend auch die Stelle, als Zazie für das Au-Pair-Mädchen der Kinder ihrer Schwester gehalten wird ... ihre Ohnmacht kann ich so sehr nachempfinden... während zuvor die Schwester gerade überlegte, Cousinen aus dem Senegal als Aupair zu sich zu holen.)

Auch wenn man dem Debüt von Yandé Seck anmerkt, dass sich nicht alles ganz leichtfüßig literarisieren, also im strikten Sinne von ihr erzählen lässt, was sie an ihren Figuren sieht, konstruiert, dekonstruiert und auch noch mitbedacht wissen will: Ich kam mehr und mehr ins Lesen rein. Der hier gemachte Versuch ist auf jeden Fall bemerkenswert und interessant!