Vielschichtige Familiengeschichte

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Yande Secks Roman Weiße Wolken ist ein eindrucksvoller moderner Familienroman, der die Geschichte der Schwestern Dieo und Zazie erzählt – Töchter einer deutschen Mutter und eines senegalesischen Vaters. Als dieser stirbt, reisen die beiden Frauen zur Beerdigung in sein Heimatland – eine Reise, die nicht nur geographisch, sondern vor allem emotional große Distanzen überbrückt.

Im Mittelpunkt stehen zwei sehr unterschiedliche Frauenfiguren, die auf je eigene Weise mit den Erwartungen der Gesellschaft, ihrer eigenen Identität und den Spuren der Vergangenheit ringen. Dieo, Mutter eines kleinen Kindes, zweifelt an sich und ihrer Rolle als Mutter. Ihre Gedanken kreisen um Selbstbestimmung, Fürsorge und das Idealbild einer „guten Mutter“, das sie ständig zu unterlaufen scheint. Zazie hingegen kämpft mit alltäglichem Rassismus und Sexismus – sowohl subtilen als auch offenen Formen – und reflektiert dabei scharf und wütend über gesellschaftliche Normen, Ungleichheiten und Zuschreibungen.

Seck gelingt es meisterhaft, komplexe Themen wie Rassismus, Mutterschaft, Sexismus und familiäre Rollenerwartungen vielschichtig und mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit zu verhandeln. Dabei verzichtet der Roman auf platte Stereotype oder erhobene Zeigefinger. Stattdessen lässt er unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen, gibt Raum für Widersprüche und bringt so die Dynamik moderner Familienkonstellationen und gesellschaftlicher Diskurse authentisch zum Ausdruck.

Trotz der Schwere mancher Themen bleibt Weiße Wolken erstaunlich humorvoll. Mit scharfem Witz, pointierten Dialogen und liebevoll gezeichneten Nebenfiguren schafft Seck es, den Leser*innen immer wieder ein Schmunzeln zu entlocken – auch inmitten von Schmerz und Konflikt.

Weiße Wolken ist ein ebenso kluger wie berührender Roman über Herkunft, Verlust, Weiblichkeit und das Suchen nach dem eigenen Platz in der Welt. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, ohne belehrend zu sein – und dabei auch noch wunderbar unterhält. Absolut lesenswert.