Ein komplexer Mehrgenerationenroman, der bewegt

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irene123 Avatar

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Cece und Charlie, ein junger Kardioanästhesist, scheinen wie füreinander geschaffen. Da scheint es nur logisch, ihre Hochzeit im Haus von Charlies Eltern in Montana zu feiern. Cece liebt dieses Haus und alles, was dazu gehört: Der Obstgarten, der große See und nicht zuletzt Charlies Familie, in der sie jene Sicherheit und Geborgenheit findet, die sie seit dem Tod ihrer Mutter vermisst.
Doch als sie Chariles bestem Freund Garrett begegnet, der sie und Charlie trauen soll, gerät ihr ganzes Leben ins Wanken. Dabei stößt sie eigentlich alles an ihm ab, ist er doch nur ein schmuddeliger Gepäckabfertiger am Flughafen mit einer psychotischen Depression, an der er seit einem schrecklichen Ereignis während seiner Studienzeit leidet. Cece und Garrett könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein, doch als Garrett sich unsterblich in Cece verliebt, müssen beide eine Entscheidung treffen, die nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Nachkommen nachhaltig verändern wird.

"Weißes Licht" von Eric Puchner ist einer jener Romane, die mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen haben. Erzählt wird die Geschichte, die 526 Seiten umfasst, abwechselnd aus der Perspektive von Cece, ihrer Tochter Lana, Charlie und Garrett, wobei auch gelegentlich mitten in einem Absatz die Perspektive gewechselt wird, was ich anfangs ein wenig verwirrend fand. Die Hauptprotagonisten sind sehr komplex dargestellt und auch authentisch, trotzdem fand ich lange Zeit keine Verbindung zu ihnen. Vielleicht lag es daran, dass alle wichtigen emotionalen Ereignisse wie etwa Hochzeit, Trennung, Scheidung oder Tod übersprungen und erst im Rückblick erzählt werden. So gibt es zwischen den Kapiteln große Zeitsprünge von mehreren Jahren und es dauerte immer ein wenig, bis ich mich wieder orientiert hatte, da nur der erste Teil des Buches mit einer Jahreszahl versehen war.

Die Protagonisten berührten mich anfangs wenig, alle schienen etwas orientierungslos durchs Leben zu laufen, auf der Suche nach Glück und ihrer Bestimmung. Vor allem Cece hadert immer wieder mit ihrer Entscheidung, die Frage "Was wäre gewesen, wenn...?" hängt wie eine dunkle Wolke über ihr. Einzig Garrett scheint seine Bestimmung gefunden zu haben, denn er widmet sein Leben der Erhaltung der Umwelt.

Doch nach etwa zwei Drittel des Buches sprang der Funke dann überraschenderweise doch noch auf mich über. Das Schicksal von Charlies Sohn Jasper hat mich tief berührt, wie auch die Schilderungen über die fatalen Folgen des Klimawandels, die das Leben der Menschen zunehmend beeinträchtigen. Auch die Aufs und Abs in der Freundschaft zwischen Charlie und Garrett fand ich sehr gut beschrieben.

Überhaupt gefiel mir Eric Puchners Erzählstil ausgesprochen gut, an manchen Stellen wurde es fast poetisch. Die Landschaftsbeschreibungen sind wunderbar gelungen, auch die fortschreitende Zerstörung der Umwelt durch den Klimawandel wird eindrücklich geschildert. Die Geschichte driftet nie ins Kitschige ab, sondern zeigt sehr realistisch das Leben mit all seinen Facetten. Die Ehe wird nicht idealisiert, sondern als ein gelegentlich sehr steiniger Weg mit vielen Herausforderungen beschrieben. Manche schaffen es, ihn bis zum Schluss zu gehen, manche nicht. Auch das Thema Freundschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Dabei lautet die zentrale Frage: Wie viel Betrug hält eine Freundschaft aus?

Letztendlich hat mich das Buch doch noch überzeugt, auch wenn mir nicht alle Protagonisten ans Herz gewachsen sind und ich ihre Handlungen nicht immer nachvollziehen konnte. Eric Puchner ist ein fantastischer Erzähler, daher wird "Weißes Licht" sicher nicht mein letztes Buch von ihm sein.