Familienroman mit bewusst gewählten Leerstellen

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Cece/Cecilia Calhoun ist allein ins Haus der Großeltern ihres Bräutigams Charlie in einen fiktiven Ort Salish in Montana gekommen, das die Familie als gemeinsames Ferienhaus nutzt, um ihre Hochzeit vorzubereiten. Die Hochzeit wird zugleich ein Wiedersehen mit Verwandten und Freunden des Paares sein. Das Haus liegt idyllisch mit Blick auf den See, wäre da nur nicht der Highway, den man in Badekleidung im Laufschritt überqueren muss, um zu schwimmen. Die Trauung soll Charlies bester Freund Garret vollziehen, der sich dafür extra eine Lizenz besorgt hat. Cece reagiert skeptisch auf die Begegnung mit dem düster wirkenden Garret, sie kann kaum glauben, dass dieser Mann der eloquente Redner sein soll, den Charlie ihr angekündigt hat. Die Hochzeit verläuft anders als geplant. Am Ende wird Cece mit Garret verheiratet sein und eine Tochter haben; auch Charlie wird mit einer anderen Frau eine Familie gründen.

Die Hochzeit im Haus Margolis im Jahr 2004 dient Eric Puchners Drei-Generationen-Roman als Rahmenhandlung, in die Rückblenden eingepasst sind; es bleiben jedoch auch Lücken in der Vorgeschichte, die später oder gar nicht gefüllt werden. Die Lücken mögen beabsichtigt sein, um Verdrängung oder Vergessen darzustellen, als Leserin war mir das zu wenig Information über die Figuren.

Charlie, Garret und Cece sind zu Beginn der Handlung Ende 20, Charlie arbeitet bereits als Anästhesist in der Herzchirurgie, Cece hat ihr Medizinstudium aufgegeben und Garret ist zurzeit Gepäckabfertiger & Rollfeldarbeiter bei einer kleinen Fluggesellschaft. Nach einem Sprung um circa 10 Jahre hat Garret ein Biologiestudium abgeschlossen und arbeitet im Glacier Nationalpark als Verhaltensbiologe u. a. über Vielfraße. Cece hat leicht blauäugig eine Buchhandlung gegründet. Wie Garrett seine psychische Krankheit bewältigt hat und wie ein junges Paar ein Studium und eine Existenzgründung finanziert, bleibt unklar. Zeitsprünge führen zu einer Begegnung, bei der Lana (Tochter von Cece) und Jasper (Sohn von Charlie) sich als Kinder kennenlernen und in eine dystopische Zukunft, die bereits absehbar, aber für Puchners Leser:innen noch Zukunftsmusik sein muss. Dieser Abschnitt, der die Träume von Charlies und Ceces Sippen für ihre Kinder und Enkel gnadenlos demontiert, hat mir am besten gefallen und lohnt die Lektüre. Anstrengend fand ich allerdings den langatmigen Einstieg in die Handlung, die mühsame zeitliche Orientierung und die Lücken zwischen den Ereignissen. Eine Zeitangabe am Kapitelbeginn, wer gerade wann, wo was tut, wäre hilfreich gewesen.

Fazit
Die Nennung von Garrets Gepäckabfertiger-Job im Klappentext empfinde ich hier als Irrweg, weil Ceces Mann später als Biologe „Mr Wolverine“ wochenlang in der Wildnis unterwegs sein und Cece damit zur alleinerziehenden Mutter machen wird. Die direkte Auswirkung auf das, was Charlies und Garrets Beziehung ausmacht, durch den Klimawandel ist eines der zentralen Themen des Buches.

Insgesamt ein Familienroman über eine Zeitspanne von rund 50 Jahren, in dem eine Hochzeit zum Auslöser dramatischer Ereignisse wird, der zu langsam in Gang kommt und am Ende doch noch mitreißen kann.

3 1/2 Sterne