Familienfehde über Jahrzehnte hinweg

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kleincaro89 Avatar

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„Wellenflug“ erzählt die Geschichte der jungen Anna, die als Tochter eines jüdischen Handelsmanns gut situiert Mitte des 19. Jahrhunderts aufwachsen kann. Durch gute Kontakte und eine offene Art stehen ihr alle Türen offen, welche sie schließlich ins große Berlin führen, in dem sie als Ehefrau eines ebenso erfolgreichen Mannes Mutter und glücklich wird. Immer wieder durch Ausfälle von Familienmitgliedern gebeutelt, setzt sie alles in die Erziehung ihrer eigenen Kinder. Doch leider muss sie mit ansehen, wie Heinrich, ihr Lieblingssohn in die Fußstapfen des bislang schwarzen Schafes der Familie tritt, sich das Leben eines Lustmolchs und Spieler annimmt und Schande über die Familie bringt. Die einzige Möglichkeit ist, ihn aus der Schusslinie zu bringen und nach New York zu schicken, bis er sich gefangen und gebessert hat.
Was ein Plan war, wird ein Leben, das Heinrich in der neuen weiten Welt zusammen mit seiner deutschen Freundin und bald Frau Marie aufbaut. Weit weg von der Familie, mehr oder minder auf sich alleine gestellt, verwirklicht sich das Ehepaar fast so etwas wie einen Traum, doch dann bricht zunächst der Krieg herein, Heinrich kehrt zurück nach Deutschland und wird es nie wieder komplett verlassen, wodurch die Zelte in Amerika abgerissen und neue im neuen Deutschland aufgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte niemand die heranwachsende Macht der Nationalsozialisten auf dem Zettel, deren Gefahr größer und größer wird.

Ein markantes Cover zeigt, dass es in diesem Buch Frauen sind, die vorne stehen. Eine junge Frau, gesittet, schön und in ihrem Sinne mächtig, was auch im Verlauf des Buches an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck kommt. Dabei wird damit sowohl Anna als auch später Marie aufgefangen und dargestellt, wobei der Übergang zwischen den unterschiedlichen Handlungen und Teilen des Buches sehr gut gelungen ist, sodass der Leser stets folgen kann und keinen Anschluss verliert.
Ebenso gelungen ist die Verbindung zwischen den Personen und dem Leser. Was in der ersten Hälfte grundsätzlich Anna zufiel, muss in der zweiten Hälfte nicht Heinrich übernehmen, sondern Marie, die die Geschehnisse aus ihrer Perspektive beschreibt und ein anderes Licht auf alles wirft. Beide Frauen zeichnen sich durch Offenheit und Präsenz aus, durch einen Willen und ihre eigene Meinung.
Die Sprache, die die Autorin verwendet, ist genauso prägnant und offen, sodass der Leser sich stets wohl aufgehoben und geborgen fühlt, gut folgen kann und stets bei der Sache bleiben kann. Es macht dem Leser dadurch Spaß, ins Buch abzutauchen und in einer anderen Zeit beizuwohnen.

Was anfangs vielleicht wie ein schwerer Roman klingen mag, ist wunderbar leicht gehalten, leicht zu erfassen und leicht zu verstehen. Offene Charaktere, eine durchgängige Handlung und ein roter Faden runden die Geschichte ab.