Historischer Roman mit fiktiver Geschichte aber realen Personen - lesenswert!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
light_in_a_book Avatar

Von

Ein Buch über die eigene Familie zu schreiben und es in einen fiktiven Roman zu verpacken, kann zuweilen richtig schief gehen. Ich erinnere mich z. B. an „Ada“ von Christian Berkel, dass mich bis heute irgendwie ratlos zurück gelassen hat.

Wie gut, dass ich bei dem Buch von Constanze Neumann die Leseprobe bei @vorablesen erst gelesen hatte und dann erfahren habe, dass es sich um die Geschichte ihrer deutsch-jüdischen Familie handelt. Denn da hatte mich das Buch bereits gepackt.

In dem Buch geht es um „Anna“ und „Marie“ – zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Die gut situierte Anna wächst Ende des 19. Jahrhunderts in einer Familie von Tuchhändlern in Leipzig auf, geht dann in die Hauptstadt Berlin. Ihr Weg ist bereits vorgezeichnet, sie wird mit dem standesgemäßen, jedoch gesundheitlich immer wieder angeschlagenen Adolph Reichenheim, zieht in den „Palais Reichenheim“ und das Leben fühlt sich an wie ein Märchen. Sie bekommen eine Tochter, doch schon kurz nach der Geburt stirbt Adolph, doch Anna wird nicht lange Witwe bleiben. Julius Reichenheim nimmt sich ihrer an und macht sie zu seiner Frau. Mit ihm bekommt sie Sohn Heinrich, der den hohen Erwartungen seiner Familie nicht gewachsen ist und nicht nur spielsüchtig wird, sondern auch noch mit „Marie“ durchbrennt, die aus ärmlichen Verhältnissen kommt und als Garderobenfrau in Berlin arbeitet. Die Beiden kehren Deutschland den Rücken und gehen in die USA, wo es sie aber nicht lange hält. Die toxische Beziehung zwischen Marie und Heinrich hat mich oft den Kopf schütteln lassen, so viel Leid und Schmerz, oft wegen zu viel Ego.
Erst als beide zurück nach Deutschland, genauer gesagt nach Dresden kommen und ein uneheliches Kind das Leben von Heinrich und Marie schlagartig verändert, dreht sich auch die Chemie der Beiden.

Am Ende bleibt ein Schmöker, zum Eintauchen in das frühe 20. Jahrhundert Deutschlands mit all seinen schönen und nicht so schönen Seiten. Da es sich hier zwar um eine fiktive Geschichte, aber mit realen Personen handelt, machte es für mich nur noch um so spannender. Die Ausarbeitung der Charaktere ist klar und tiefgreifend, wobei Marie alle Figuren „an die Wand spielt“.

Das Buch und Constanze Neumann laden ein sich auch nach Beendigen des Buches mit der Geschichte der Familie Reichenheim zu beschäftigen, es gibt dazu einige Quellen, Bilder und ähnliches im Internet zu finden.

Für mich eine klare Leseempfehlung für Liebhaber solcher Romane, die mehr wollen, als eine schnöde Liebesgeschichte mit historischem Hintergrund. 4 von 5 Sternen!