Zwei starke Frauen

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renate elisabeth Avatar

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Das Buchcover ist ein echter Eyecatcher. Es hat mich sofort angezogen. Der Titel ist ein bisschen geheimnisvoll. Wer weiß schon auf Anhieb, was „Wellenflug“ bedeutet? Die Erklärung erfolgt gegen Ende des Buches – fast nebenbei.
In den 2 Hauptkapiteln des Buches wird das Leben und Schicksal zweier Frauen erzählt: Anna und Marie. Eingerahmt werden diese Kapitel von einer knappen Handlung, die in der Gegenwart spielt. Judith, die in den 70er Jahren des 20 Jahrhunderts geboren wurde, erfährt von ihrem Großvater die Geschichte von Anna und Marie und damit die Geschichte ihrer Familie.
Anna und Marie gehören zwei verschiedenen Generationen an. Anna lebt vor allem in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie wächst als Tochter eines jüdischen Tuchhändlers in Leipzig auf, heiratet in die wohlhabende jüdische Kaufmannsfamilie von Reichenheim ein und verbringt ab der Hochzeit ein komfortables Leben in Berlin. Im Wesentlichen verläuft ihr Leben genau nach ihren Vorstellungen, jedenfalls beinahe. Denn eins ihrer Kinder, ihr ältester Sohn Heinrich, entwickelt sich zum schwarzen Schaf der Familie - zu einem Lebemann und Spieler. Als alle Versuche der Eltern, ihn in die richtigen Bahnen zu lenken, scheitern, „verbannen“ sie ihn schließlich nach Amerika, in der Hoffnung, dass er dort zur Vernunft kommt. Mehr erfährt man über Heinrich im Kapitel „Anna“ nicht.
Heinrich als Mensch lernen wir im Kapitel „Marie“ richtig kennen. Er ist die 2. Hauptperson dieses Kapitels. Marie, die aus einer armen kinderreichen Familie stammt, lernt Heinrich nur zufällig kennen. Obwohl eine Verbindung zwischen den beiden nicht aussichtsreich scheint, ist Heinrich hier entgegen seinen sonstigen Tätigkeiten sehr zielstrebig und bringt Marie dazu, sich auf ihn einzulassen. Sie beginnen ein gemeinsames Leben, aber in einer „unstandesgemäßen“ Verbindung. Auch durch ihre Heirat ändert sich an der Einstellung der Eltern nichts.
Heinrich ist das „Bindeglied“ zwischen Anna und Marie. Beide lieben Heinrich sehr. Dennoch sind sich die beiden Frauen nie begegnet. Da Anna Marie als „nicht standesgemäß“ ablehnt, verweigert sie ihr lebenslang jeglichen Kontakt.
Heinrich ist die eigentlich tragische Figur in diesem Roman. Er ist nicht unsympathisch, eher unbedarft, sorglos, auch etwas leichtsinnig. Von der Familie fallengerlassen, ist er derjenige, der sich nicht ins Ausland retten kann.
Marie ist eine sehr starke Frau, obwohl oder gerade weil sie aus armen Verhältnissen kommt. Sie begleitet Heinrich durch alle Höhen und Tiefen ihres Lebens, ist immer für ihn da.
Die Autorin verarbeitet in „Wellenflug“ reale Fakten und Daten und beschreibt die Geschehnisse sehr spannend. Für mich ist „Wellenflug“ eine sehr lebendig und glaubhaft erzählte Familiengeschichte. Die Lektüre ist sehr empfehlenswert.
Wellenflug: Das Karussell des Lebens?