Zwei unterschiedliche Frauen, die das Gleiche verbindet

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astrid b Avatar

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​Ich habe lange nicht mehr ein derart eindringliches Buch gelesen.

Anders kann ich es nicht beschreiben.


Die Geschichte zweier Frauen aus den beiden vergangenen Jahrhunderten, die eine große Gemeinsamkeit hatten, aber doch unterschiedlicher nicht hätten sein können.

Ihr Verbindung ist Heinrich, der Sohn und Ehemann.


Anna - in großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Geht den Weg, der ihr sozusagen vorbestimmt ist von den Eltern, der jüdischen Gemeinschaft.

Sie wächst behütet mit ihren Geschwistern auf, die Familie geht später nach Berlin, wo sie heiratet.

Ihren Ältesten Heinrich liebt sie besonders, so setzt sie viel Hoffnung in ihn.


Aber Heinrich ist überhaupt nicht der Typ Mensch, der sich in der großbürgerlichen Atmosphäre wohl fühlt, er bricht aus, schlägt über die Strenge. Das geht so lange gut, bis sich Anna letztlich von ihm lossagt.

Anstoß ist die Vermählung Heinrichs mit einer Frau, die für Anna nicht in ihre Gemeinschaft gehört, die nicht standesgemäß ist.


Marie - aus der magdeburgischen Provinz stammend, versucht ihr Glück in Berlin und trifft auf Heirich.

Sie ist die erste, die es schafft, daß dieser so unstete und unzuverlässige Mann Ruhe findet. Jedenfalls schafft sie es immer wieder, daß sie für Heinrich eine Art Fels in der Brandung darstellt.


Aber auch später ist Anna immer präsent. Nicht leibhaftig, sondern bestimmt indirekt das Handeln Heinrichs, das Leben Maries.

Man hat das Gefühl, der Schatten Anna verdunkelt das Leben ihrer Schwiegertochter, die sie ja für Anna nicht sein durfte.


In Amerika kommen Marie und Heinrich endlich zur Ruhe, das Leben scheint endlich in geordnete Bahnen zu gelangen.

Doch dann kommt der erste Weltkrieg....



Beide Frauen sind auf ihre Art faszinierend, wobei ich Marie persönlich als die sympathischere und auch stärkere empfinde. Schon daher, weil sie sich alles erkämpfen mußte, was Anna praktisch in den Schoß fiel.


Anna ist zu sehr in ihre Welt und die Standesdünkel verstrickt - was wohl auch der Zeit - Ende des 19. Jahrhunderts - geschuldet ist.


Marie ist bodenständiger und auch praktischer veranlagt.


Dazwischen Heinrich, der auch als erwachsener Mann immer ein Kind bleibt, sich den Realitäten verweigert, nichts ernst nimmt und so gesehen erst auf seine Mutter, dann auf seine Frau angewiesen ist.



Schwer zu beschreiben, was das Eindringliche ausmacht. Der Schreibstil, die so unterschiedlichen Handlungsweisen, die Zeit, die im 20. Jahrhundert nicht besser wird, sondern - gerade für die jüdische Familie Heinrichs - immer gefährlicher.


Das Gefühl, direkt in die Geschichte hineingezogen zu werden. Beide Frauen vor sich zu sehen und so schwer zu verstehen, daß diese beiden, die letztlich so viel verbindet, keine Chance haben, gemeinsam zu agieren, was vermutlich vieles besser hätte werden lassen können.

Wohl von allem etwas.


Auf jeden Fall ein Buch, das stark in Erinnerung bleibt und nachhallt.



Fazit

Eine eindringliche Geschichte zweier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können.

Dazwischen ein Mann, der beide braucht und nicht ohne sie sein kann, auch wenn beide Frauen keinen Kontakt zueinander haben.