Besonnen, sachlich und mit viel Weitblick

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krabbe077 Avatar

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Herfried Münkler ist ohne Frage einer der wichtigsten und scharfsinnigsten politischen Denker der Gegenwart, was er mit seinem neuesten Werk zum wiederholten Male unter Beweis stellt. Mit diesem geht er ein großes Wagnis ein, begibt er sich doch auf das dünne Eis der Zukunftsprognosen und läuft damit Gefahr, in einigen Jahren oder – wahrscheinlicher – Jahrzehnten eines Besseren belehrt zu werden. Es geht um nicht weniger als die globalen Machtverhältnisse im 21. Jahrhundert, wie sich diese über die Jahrtausende hinweg entwickelten und wie diese zukünftig unser Leben beeinflussen könnten.

Zunächst zeigt der Autor verschiedene Modelle der Machtverteilung im Sinne der Friedenserhaltung auf und geht dabei auch sehr differenziert auf die deutsche und EU-Politik gegenüber der Ukraine und Russland vor Ausbruch des Angriffskrieges im Jahr 2022 ein. Münkler erläutert hier sowohl die Gründe für deren Scheitern als auch, warum dennoch lange an der ursprünglichen Strategie festgehalten wurde. Das zweite Kapitel beschreibt den Entstehungsprozess von imperialen Großreichen und schildert geopolitische Entwürfe, an denen sich diese orientieren. Sehr weitläufig erklärt der Autor die Herausbildung der Ost-West-Polarisierung. In seinen Ausführungen geht er auch auf Narrative und Symbole ein, derer sich die Ukraine und Russland in der Legitimation ihres Krieges bedienen sowie Letztere, die USA und China in ihrem Anspruch, eine führende Weltmacht zu sein. Dabei geht Münkler bis in das Alte Testament zurück. Im letzten Drittel hat mich das Buch zeitweise überfordert, was ich auf historische Wissens- bzw. Bildungslücken meinerseits zurückführe. Wer sich noch nie mit Thukydides, Machiavelli oder Clausewitz befasst hat, dem könnte es ähnlich ergehen. Die Schlüsse des Autors sind aber immer anschaulich und nachvollziehbar. Abschließend folgt der angekündigte Ausblick: Wie sieht die Ordnung der Großmächte im 21. Jahrhundert aus? Überzeugend aber ausgesprochen ernüchternd lesen sich die letzten Seiten, die nicht gerade optimistisch stimmen.

Welt in Aufruhr ist ein tolles Werk, das einem das Gefühl gibt, von Seite zu Seite schlauer zu werden. Dazu ist es in einer verständlichen und sachlichen Sprache geschrieben und trotz der teilweise trockenen Themen wird es nie langweilig. Ganz im Gegenteil, mich haben Münklers Gedanken absolut in ihren Bann gezogen. Außerdem finde ich es stets erfreulich, wenn die eigenen deutschen, europäischen oder allgemein westlichen Positionen in der globalen Politik ebenso kritisch beurteilt werden, wie das mit dem Rest der Welt geschieht.