Tief schürfende Analyse

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tintenteufel Avatar

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Herfried Münkler verspricht in seinem neuen Buch ‚Welt in Aufruhr‘ , die (Neu-) Ordnung der Mächte im 21 Jahrhundert zu erklären. In dieser Funktion war er mir aus dem Fernsehen bekannt, was mich als politisch interessierten Bürger zur Lektüre dieses Buches veranlasste. Ich erhoffte mir, ein wenig mehr (gedankliche) Ordnung und Durchblick durch das gegenwärtige geopolitische Chaos zu erhalten.

Herfried Münkler ist emeritierter Professor der Politikwissenschaft und schöpft unverkennbar aus einem sehr großen Fundus an Geschichtswissen und vermag seine Analyse tief zu verankern.
Kapitel 1 führte mich wie erwartet in diese Problematik und die Entwicklung seit dem Ende des kalten Krieges ein. Auch den Ausführungen zu Geopolitik und Weltordnung in Kapitel 2 vermochte ich zu folgen.
Kapitel 3 und 4 allerdings strapazierten meine Geduld und meinen Wissensdurst erheblich: Ich kann nicht nachvollziehen, ob es wirklich nötig ist, für das Verständnis der Gegenwart bis in die Antike und zum Alten Testament zurückzugehen. Meines Erachtens hätte ein Rückgriff z.B. bis in die Zeit der napoleonischen Kriege auch eine gute historische Basis dargestellt. In diesen Kapiteln nahmen auch extrem lange und verschachtelte Sätze überhand, die gespickt mit sehr fachspezifischen Fremdwörtern meinen Lesefluss zusätzlich ausbremsten.
Kapitel 5 und 6 dagegen erfüllten meine Erwartungen. Hier kommt Herfried Münkler in der Gegenwart an, und sein Schreibstil ist gut lesbar und spannend. Ich konnte viele neue Erkenntnisse gewinnen, die mir helfen, die geopolitischen Vorgänge besser zu verstehen.

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, dass der Autor hier ein profundes Grundlagenwerk geschrieben hat, das Politik- und Geschichtswissenschaftler begeistern wird. Sie finden nach der Lektüre der 450 eng bedruckten Seiten noch weiterführende Anregungen und Quellen in 50 Seiten Anmerkungen und 20 Seiten Literaturangaben.
Doch ein ‚fachfremdes‘, nur allgemein historisch und politisch interessiertes Publikum wird sich streckenweise überfordert fühlen und hätte aus einem gestrafften Werk das Wissen schöpfen können, das es erhoffte.