Peter Pan ist zurück

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Wer kennt sie nicht die Geschichte von J. M. Barrie um Peter Pan, dem Jungen, der nicht erwachsen wird? Die Handlung von Barries Roman spielte Anfang letzten Jahrhunderts in London, wo sich Peter Pan und das Mädchen Wendy zum ersten Mal begegnen. Dabei muss Wendy Peter helfen, und ihm seinen verlorenen Schatten wieder annähen. Der Junge, der fliegen und die Sprache der Feen und Vögel sprechen kann, erzählt ihr von Nimmerland und den verlorenen Jungs und lockt sie damit. Wendy stimmt zu mitzukommen, wenn ihre Brüder mitkommen dürften. So bestäubt Peter Pan sie mit Feenstaub und sie erheben sich in die Lüfte, wilden Abenteuern entgegen. In Nimmerland gibt es Piraten, Elfen, Meerjungfrauen, Indianer und Naturgewalten. Man muss hier einfach nur an etwas glauben, dann geschieht es auch. Am Ende der Geschichte gelangen Wendy, ihre Brüder und die verlorenen Jungs schließlich wieder in London.
Soweit der Hintergrund. Barries „Peter Pan“ wurde vielfach in Filmen und Romanen dargestellt und neu interpretiert.

Hier nun nimmt sich Aiden Thomas dieses Motives an.
Aiden Thomas‘ Weiterführung der Geschichte um Peter Pan und Wendy ist recht dunkel, unheimlich und auch sehr traurig. Nicht ohne Grund nennt der Verlag sie „Mystery Thriller mit einer Prise Magie“. Wir treffen zunächst auf Wendy Darling, die mittlerweile eben 18 Jahre alt wird und somit endgültig über die Schwelle zum Erwachsenwerden tritt. Sie hat gerade die High School beendet und arbeitet im Freiwilligendienst am Kinderkrankenhaus, wo auch ihre Mutter angestellt ist.

Vor fünf Jahren ist sie zusammen mit ihren beiden Brüdern John und Michael im Wald verschwunden. Doch nur Wendy tauchte ein halbes Jahr später wieder dort auf, merkwürdigerweise mit einer Eichel in ihrer Hand. Allerdings hatte sie ihre Erinnerung verloren und war schwer traumatisiert.
Den Verlust ihrer Söhne müssen auch Wendys Eltern noch immer verarbeiten, sodass sich schwierige und traurige Familienverhältnisse ergeben. Über ihre traumatische Erfahrung des Verlustes ihrer beiden Brüder wird hinter Wendys Rücken noch immer geredet.

Wendy bewahrt die Eichel versteckt auf. Die inneren Bilder eines unheimlichen Baumes und eines rätselhaften Jungen verfolgen sie, doch sie kann sie nur immer wieder und wieder zeichnen, nicht deuten.
Plötzlich geschehen verstörende Dinge: erneut verschwinden Kinder, eine Person, wie aus ihrer Lieblingsgeschichte, die ihr die Mutter früher erzählt hatte, springt vor ihr Auto, Schatten wabern durch den Wald. Wendy hat das Gefühl, dieses Wesen zu kennen. Sollte Peter Pan, den sie immer als eine Märchengestalt ansah, real sein? Aber dafür ist dieser Junge viel zu alt… Auf die beiden wartet eine Aufgabe.
Nun beginnt der Kampf gegen eine dunkle Macht um das Leben der vor kurzem verschwundenen Kinder.


Fazit:
Das Cover der deutschen Ausgabe hat es mir angetan. Noch hat es einen leicht verspielten Anklang, verweist aber auch schon die finsteren Komponenten.

Ich fand es interessant, dass Aiden Thomas den Faden von Barries Geschichte fünf Jahre nach dem Ende der Handlung aufnimmt und sie zusätzlich in die Jetztzeit transportiert. Er gewinnt damit eine gewisse Aktualität. Durch die dunkle Atmosphäre und das tragische Verschwinden der Kinder fällt auch jedwede Romantik fort. Dafür verwebt der Autor die Elemente von Barries Roman, z.B. das Bild des Schattens, der angenäht werden muss, in seine Handlung ein, deutet sie aber geschickt um.

Auf diese Weise entsteht auch eine gänzlich andere Rolle des Peter Pan mit einer unerwarteten Tiefe und Schwere, die trotz allem etwas Tröstliches hat.
Die Charaktere von Wendy und Peter sind sehr authentisch beschrieben. Sie sind nun keine Kinder mehr und haben andere Probleme, Gefühle und Motive. Wendys Schuldgefühle, ihr Mitleiden mit ihren Eltern, ihre posttraumatische Störung nimmt man ihr ab und mag sie umso mehr.
Mit Wendys Eltern leidet man als Leser*in sehr mit.

Meist gelingt es Aiden Thomas, den Spannungsbogen zu halten. Man möchte doch zu gern wissen, was sich denn nur eigentlich hinter Peter Pan verbirgt. Welche Rolle hat er eigentlich inne. Da wartet auf die Leser*innen doch so manche unerwartete Deutung und ein herzbewegendes Ende.

Es ist wichtig zu wissen, dass es nicht nur um die Weiterführung der Geschichte um Peter und Wendy geht, sondern auch viel über Trauer, Depression und komplizierte Familiendynamik, um die Suche nach den Ursachen für Schmerz und Trauer, das Bewältigen von Gewalt und letztendlich das Finden von Wahrheit und Heilung.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, obwohl es eine unerwartete Schwere und Tragik mit sich brachte. Ich persönlich würde es nicht jedem Jugendlichen in die Hand geben, obwohl das Lesealter ab 14 Jahren angegeben wird.