Die Reisenden

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sago Avatar

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Kann man einen Roman eine Liebesgeschichte nennen, wenn das Paar sich nur drei Tage kennt, nach Jahren der Kriegswirren schließlich erneut aufeinander trifft und diese Wiedervereinigung dann auf zwei Seiten abgehandelt wird? Diese Frage muss jeder Leser für sich beantworten. Ich bin keine ausgesprochene Liebesroman-Leserin. Insofern hat mich persönlich nur verwundert, aber nicht sehr enttäuscht, dass sich die Liebenden in diesem Roman kaum begegnen. Marina und der amerikanische Matrose Stead lernen sich 1938 in Sydney kennen und verbringen eine Nacht miteinander, entgegen den damaligen Konventionen. Stead fährt wieder zur See und Marina reist nach London, um an einem Musikkonservatorium zu studieren, für das sie ein Stipendium bekommen hat. Dieses Vorhaben wird allerdings durchkreuzt, als Marina auf der Überfahrt ihre Schwangerschaft feststellt. Statt am Konservatorium landet sie in einem Heim für ledige Mütter und sieht sich gezwungen, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Noch immer träumt sie von einer Wiedervereinigung mit Stead, doch das verabredete Treffen wird von beiden nicht eingehalten, womit Stead aufgrund seines Einsatzes auf See auch von Vornherein rechnete. Dennoch kann auch er Marina nicht vergessen und begibt sich 1941 auf Landgang in Sydney wieder zu ihrem Haus. Dort erfährt er von Marinas Abreise nach London. Ihre Mutter hat keinerlei Nachricht von ihr. Dennoch reist Stead auf Spurensuche nach London. Da Marina nach der Abgabe ihres Kindes an ihr früheres musikalisches Talent nicht mehr anknüpfen kann, wird sie notgedrungen Barpianistin. Ihr Lebensweg verschlägt sie nach Singapur und Shanghai, inmitten von Kriegswirren. Mehrfach kommt sie nur knapp mit dem Leben davon, doch Stead, der ihren Spuren zu folgen vermag, erhält die Nachricht, sie sei bei einem Schiffsunglück ertrunken. Tatsächlich gelingt es ihr zu überleben und sogar das Leben eines Babys, Grace, zu retten. Allerdings gerät sie in japanische Gefangenschaft und wird jahrelang interniert. Vor allem die Verbindung zu Grace, die ihr hilft, den Verlust ihres Babys zu überwinden und zur Musik zurückzufinden, hilft ihr durchzuhalten. Schließlich endet der Krieg und Graces Vater hat den Verbleib seiner Tochter ermitteln können, so dass Marina erneut Abschied nehmen muss. Nun bleibt ihr nur die Rückkehr nach Sydney. Völlig überraschend trifft sie auf dem Schiff auf Stead, der sich entschlossen hatte, Marinas Mutter persönlich vom vermeintlichen Tod Marinas zu unterrichten. Der Roman ist sehr flüssig und kurzweilig zu lesen, zudem gekonnt formuliert. Er gleitet nie ins Triviale oder Schwülstige, sondern zeichnet sich durch eine gehörige Portion Realismus aus. So haben sowohl Marina als auch Stead während ihrer Trennung eine Affäre. Manches wurde mir persönlich zu knapp abgehandelt, wie die Wiedervereinigung am Schluss. Aber auch große Ereignisse vollziehen sich zum Teil in einem einzigen Satz (z.B.: „Der Krieg war zu Ende.). Sehr gut geschildert fand ich hingegen die dramatische Szene von Marinas Schiffsunglück und Dahintreiben auf dem Meer. Ich habe diesen Roman sehr gern gelesen. Der Originaltitel „The Voyagers“ ist aber wirklich viel passender als der deutsche Titel, der meiner Meinung nach eine falsche Zielgruppe ansprechen könnte.