Roman mit ungenutztem Potential

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
helena Avatar

Von

Die Losfee war mir zwar leider nicht hold, aber die LP hatte mir so gut gefallen, dass ich einfach das Buch lesen musste. Einen Großteils des Buchs wurde ich dann auch mit einem schönen Lesevergnügen belohnt, doch der letzte Teil enttäuschte mich sehr.

In „Wenn das Meer die Liebe trägt“ geht es in sich abwechselnden Kapiteln einerseits um Marina, die australische Pianistin und andererseits um Stead, den amerikanischen Seemann. Beide lernen sich in Sydney für drei Tage kennen und lieben. Es ist der Sommer 1938. Marina wird demnächst an einem Musikkonservatorium in London aufgenommen. Stead fährt als Seemann weiter. Beide verabreden sich zu Sylvester in London.
Auf Marinas Überfahrt von Sydney nach London stellt sich jedoch heraus, dass sie schwanger ist. Die Aufnahme ins Konservatorium kann sie vergessen. Ihr Lebenstraum, eine erfolgreiche Pianistin zu werden, zerplatzt. Zudem erreicht sie Stead nicht und er kommt auch nicht zu Sylvester nach London. Marina trifft dann bezüglich der Schwangerschaft, genötigt von ihrer Schwester, den herrschenden Rollenverständnissen und gesellschaftlichen Zwängen eine schwere Entscheidung. Eine Entscheidung entgegen ihres Gefühl, entgegen den eigenen Bedürfnissen. Sie verliert sich selbst und findet sich lange nicht wieder. Sie geht nach Shanghai und lebt dort ein Leben, welches wenig mit ihrem tatsächlichen Wesen zu tun hat. Einige Zeit später wird sie dann direkt mit dem Krieg und seinen Folgen konfrontiert...

Auch Stead lebt ein Leben an seinen wirklichen Bedürfnissen vorbei. Er vertraut nicht auf seine Gefühle zu Marina, glaubt nicht, dass sie das Treffen zu Sylvester wirklich ernst meinte. Er lebt im Fahrwasser seines besten Freundes, eines lustigen, aber auch sehr leichtlebigen, oberflächlichen Menschen. Erst als dieser bei einem Angriff stirbt, kann und muss sich Stead wirklich auf sich besinnen, erkennt, wie einsam und wurzellos er eigentlich ist und erinnert sich an Marina. Die einzige Frau, mit der er sich ganz besonders gefühlt hat. Es sind nun schon 5 Jahre verstrichen seit ihrem einzigen Treffen, und er begibt sich auf die Suche...

Der Roman ist sehr spannend und wendungsreich, mit einer poetischen Sprache atmosphärisch dicht geschrieben. Gelungen fand ich die Einbettung der Haupthandlung in die Wirren des 2. Weltkriegs. Hier war es besonders interessant, über die Rolle der Japaner und die Geschehnisse im Pazifikraum zu lesen.
Die Figuren beschreibt die Autorin mit etwas Distanz, so dass der Leser Freiraum hat, seine Phantasie spielen zu lassen, aber doch auch nah genug, dass man sich gut einfühlen kann. Die Entwicklung von Marina, die mehr im Vordergrund stand, war bis kurz vor dem Ende sehr interessant zu lesen. Zum Ende jedoch vergibt sich die Autorin leider die Chance, einen überzeugenden Entwicklungsroman zu schreiben. Es gelingt ihr nicht, die Protagonisten bis zum Ende rund, authentisch und mit der gleichen Aufmerksamkeit wie zu Beginn des Romans zu zeichnen. Das Ende selbst kam dann irgendwie zu schnell und ich empfand es in Bezug auf Marinas bisherige Entwicklung als nicht angemessen. Schade. Dafür einen sehr großen Stern Abzug.