Die Kältekammer der Familie Mann

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Dass die Manns eine hochgradig dysfunktionale Familie waren, ist bekannt. Florian Illies zeichnet das mal ironisch bewertend, mal mitfühlend nach. Stellenweise versteigt er sich ein wenig, dann wird’s kitschig (die Münchner Villa im Frühling) oder (im Fall von Monika Mann) fast ein wenig herablassend.
Besonders deutlich tritt das enge, aber vielfach ungesunde Beziehungsgeflecht der Familie in der Ausnahmesituation der Machtergreifung, der Zeit zwischen Februar und September 1933 hervor. Illies nennt die Familie eine „Kältekammer“. Thomas Mann diagnostiziert im Tagebuch: „Wir sind eine erlauchte Versammlung – aber einen Knacks hat jeder.“ Eher eine Tragödie als eine Komödie, die da aufgeführt wird. Immerhin: Alle überleben. Aber Illies meint: „Wer eine Tragödie überlebt, kann nicht ihr Held gewesen sein.“ Der „Zauberer“ war auf jeden Fall keiner damals.
Wichtige Nebenfiguren im Drama: Bruder Heinrich Mann und seine so „unstandesgemäße“ Nelly, die Großeltern Pringsheim, die Feuchtwangers, die Huxleys, die Arnold Zweigs, Bertolt Brecht, Hermann Hesse und anderes illustres Personal.
Aus dem Erholungsurlaub in der Schweiz wird die erste Station des Exils, denn in Deutschland sind sie nicht mehr sicher. Thomas Mann will aber kein Emigrant sein, er möchte zurück nach München. Er ist schließlich Nobelpreisträger, repräsentiert die deutsche Kultur. Seine erwachsenen Kinder warnen ihn jedoch, sehen die Katastrophe im Gegensatz zu ihm deutlich.
In Sanary und Umgebung trifft sich die Kultur, nicht nur die exilierte deutsche. Thomas Mann ist unschlüssig, wo er sich endgültig niederlassen soll. Die Hoffnung auf schnelle Rückkehr hat er irgendwann aufgegeben. Große Verunsicherung. Angst vor der Zukunft.
Auch Familiendramen spielen sich ab: Die Kinder buhlen um die Aufmerksamkeit des Vaters, oft nicht mit Erfolg. Schlimm. Im September geht es zurück in die Schweiz, zur nächsten Station des Exils.
Insgesamt ein anschaulicher Geschichtsunterricht um ein verstörendes Familiendrama. Spannende Lektüre. Mitreißend erzählt, manchmal zu schnoddrig für meinen Geschmack.
Eine ausführlichere Rezension gibt es auf meinem neuen Blog: www.kultursalon.blog