Heimatlosigkeit einer Familie – mit viel Liebe zum Detail beleuchtet

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Dieses lebendig geschriebene Sachbuch mit vielen Details wie zum Beispiel Dialogen und kleinen vom Autor erdachten Szenen schildert die Zeit, in der die Familie um Thomas Mann teils freiwillig, teils unfreiwillig ins Exil gerät. Nachdem Thomas Mann geraten wird, von einer Vortragsreise in den Niederlanden nicht mehr nach Deutschland zurück zu kehren und seine Kinder sich ebenfalls nach und nach ins Ausland begeben, trifft sich die komplette Familie inkl. Heinrich Mann und seiner Partnerin Nelly Kröger schließlich in Sanary-sur-Mer in Frankreich. Dort bewohnen die Manns einen Sommer lang ein Haus, bis sie schließlich in die Schweiz übersiedeln. Das Buch umfasst acht Monate, die das bisherige Leben der Familie auf den Kopf stellen, und beschreibt zauberhaft bildgewaltig, wie die verschiedenen Protagonisten sich in dieser neuen Situation zurecht finden. Einigen gelingt dies besser, Anderen weniger gut. Vor allem Thomas Mann ist heraus gerissen aus seinem gewohnten Umfeld und seinen Routinen und wird als äußerst halt- und hilflos beschrieben.

Ob dies allerdings eine Begründung dafür sein kann, dass er sich einigen seiner Kinder gegenüber so absolut herzlos verhält, dieses Urteil bleibt jedem Leser selbst überlassen. Dem Autor Florian Illies gelingt es wieder einmal mit seiner ganz besonderen Art, Geschichte lebendig zu machen, in dem er zu den nüchternen Fakten viele Details aus diversen Tagebüchern – auch der weiteren Exilanten in Sanary – zusammenträgt und alle „Sommergäste“ mal nüchtern, mal leicht spöttisch in ihrem Dasein schildert. Den Erzählton, den er dafür wählt, muss man erleben, er lässt sich nicht gut beschreiben. Das ein oder andere Mal war er mir zu „allwissend“ und spöttisch zugleich. Zu Teil macht das aber auch den Humor und die Lebendigkeit des Buches aus.

Etwas weniger gelungen fand ich dagegen die Erwähnung der diversen Photos, die in Sanary aufgenommen worden sind und die der Autor uns nur (mal kürzer, mal länger) beschreibt, ohne Quellen oder Nachschlagemöglichkeiten an die Hand zu geben oder sie durch seinen Verlag in diesem Buch abdrucken zu lassen. Das hätte der Lebendigkeit noch ein Sahnehäubchen aufgesetzt. So bleiben die bloßen Nennungen etwas blutleer. Und ähnlich ging es mir mit dem erwähnten Film über die Familie Mann aus dem Jahr 2001. Von diesem wird ebenfalls an mehreren Stellen berichten, vor allem, wenn es um Elisabeth Mann und ihre Auftritte im Film geht. Dabei vergisst Illies, dass es Personen gibt, die dieses Buch als Einstieg in die Geschichte der Familie Mann nutzen und den Film daher bisher noch nicht gesehen haben.

Insgesamt ist das Buch für jeden geeignet, der mehr über die Geschichte und die Dynamik dieser großartigen deutschen Schriftstellerfamilie erfahren will oder über das beginnende Leben im Exil, wenn der weitere Gang der Geschichte Deutschlands noch im Ungewissen liegt und man trotz aller Irritation und Zerrissenheit einen Sommer am Meer genießen kann.