im Zwiespalt

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kgranger Avatar

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Zum Thomas-Mann-Jahr habe ich mich ganz besonders auf Wenn die Sonne untergeht von Florian Illies gefreut – ein Roman über die Familie Mann im Jahr 1933 klang nach genau der richtigen Lektüre. Und in gewisser Weise war es das auch: äußerst informativ, detailreich recherchiert und voller historischer Bezüge, die man so kompakt selten findet.

Gleichzeitig habe ich das Buch jedoch als erstaunlich sperrig empfunden. Es liest sich weniger wie ein Roman und deutlich mehr wie ein Sachbuch, das in eine romanhafte Form gegossen wurde. Das kann spannend sein, wirkt hier allerdings häufig etwas verkopft und nimmt dem Text die Leichtigkeit, die man sich bei einem Roman wünschen würde.

Was mich zudem irritiert hat, war der wertende Ton, der an manchen Stellen mitschwang. Da es sich offiziell nicht um ein Sachbuch handelt, kann man Illies das eigentlich nicht vorwerfen – ein Roman darf schließlich interpretieren. Aber trotzdem habe ich mich gefragt, weshalb der Autor an bestimmten Stellen so klare Positionen einnimmt, gerade im Hinblick auf Thomas Mann. Dieser kommt insgesamt überraschend unvorteilhaft weg. Besonders befremdlich fand ich die Darstellung seines Todes als eine Art „Befreiung“ für manche Familienmitglieder. Das hat mich befremdet zurückgelassen, vor allem weil ich mich auf einen Roman über Thomas Mann gefreut hatte und mir gewünscht hätte, dass die zentrale Figur etwas ausgewogener oder zumindest empathischer gezeichnet wird.

Insgesamt also: ein informatives, stellenweise brillantes, aber stilistisch sperriges Buch, das mich eher rational beeindruckt als emotional berührt hat. Drei Sterne.