Sanary-sur-mer, noch nicht Pacific Palisades
        Das Thomas-Mann-Jubiläumsjahr neigt sich langsam dem Ende zu, das neue Buch von Florian Illies habe ich lang erwartet. Nach so viel Thomas Mann und Anhang in einem Jahr werden die Details rarer, die ich noch nicht kenne. Umso mehr freute es mich, dass vom sonst oft vernachlässigten Golo Mann gleich wahre Heldentaten berichtet wurden.
Während des Lesens dieses Buches holte ich einige andere Veröffentlichungen zum Thema Mann, die ich in diesem Jahr auf meiner Leseliste hatte, noch einmal hervor. Sie passten ganz hervorragend zu Illies „Sanary-sur-mere“-Erzählungen. Da war Kerstin Holzer mit dem Buch „Thomas Mann macht Ferien“, das das absolute Gegenteil von erzwungenen Exilferien beschreibt. Oder Volker Weidermann, der sich das Thema „Mann vom Meer“ auserkoren hat. Auch bei ihm taucht einmal Sanary auf, und der schöne Klaus findet Erwähnung. Wer etwas Fiktionales mit Thomas Mann in der Hauptrolle sucht, dem seien die Krimis von Tilo Eckardt nahegelegt. Aber nicht nur der Vater findet sich in der aktuellen Literatur wieder, auch Erika, seine Tochter, macht wieder Furore. Zum Beispiel im Roman „Ins Dunkel“ von Angela Steidele.
Florian Illies, auf dessen Bücher ich seit „1913“ schon immer sehr gespannt bin, enttäuscht auch diesmal seine Anhängerschaft nicht. Die Kritiker werden ihm wieder vorwerfen, dass er seine Bücher immer nach dem gleichen Muster schneidert, aber mir gefällt sein Stil, seine Ironie, seine Suche nach pikanten Details ebenso wie seine Art, die von ihm beschriebenen Personen niemals zu beleidigen, auch wenn er sie doch recht oft bloßstellt. Bei Illies bekommt fast jeder sein Fett weg, mal mehr mal weniger. Und das nicht nur in der Familie, auch die anderen in Sanary-sur-mer den Sommer 1933 verbringenden Gäste sind höchst amüsant beschrieben. Drogensüchtige kennt man ja bereits, Klaus und Erika Mann, das Beinahe-Zwillingspaar, haben einen gewaltigen Hang zu jeder Art von Rauschmitteln, aber die befreundeten Damen übertreffen die beiden um Längen. Der Schriftsteller Aldous Huxley, er ist in der Sommerfrische, nicht im Exil, neigt zu Alkohol und Damen. Eine wird von seiner schönen Terrasse durch ein vom Himmel fallendes Tier vertrieben, wie unangenehm. Auch Lion Feuchtwanger, der mit Ehefrau Marta hier sein Exil beginnt, tönt noch sehr selbstverliebt vor sich hin, lässt möglichst keine Dame aus und schreibt wie verrückt an seinen „Geschwister Oppermann“. Mit der Mann’schen Familie und deren Freunden und Bekannten ist das „Personal“ im Buch also weit gefächert.
Doch es gibt nicht nur Amouröses zu berichten, denn nach der Machtübernahme und dem Reichstagsbrand ist es für die Manns wirklich brandgefährlich geworden in Deutschland. Man wagt nicht zu fragen, was wäre passiert, wären Thomas und Katia Mann nicht gerade auf einer Vortragstournee unterwegs gewesen. Es lässt sich nur schwer erkennen, ob sie jemals Erika und Klaus dankbar waren für die Sturheit, ihnen die Rückkehr nach Deutschland tatsächlich auszureden. Dass sich das sogenannte Dritte Reich an den Manns, den Pringsheims (Katias Eltern) und Tausenden anderen bereichert hat, wie es das vorher noch nie gab, das steht auf einem anderen Blatt. Mit einer gehörigen Portion Chuzpe gelingt es aber tatsächlich, viele Manuskripte, Bücher, Möbel und anderes aus Deutschland herauszubekommen. Auch hier ist das mit dem Dank, der besonders Golo für seine Husarenstücke gebührt, auch so eine Sache. Thomas Mann ist und bleibt ein norddeutscher Stiesel, davon können seine Kinder ein Lied singen. Katia Mann hat ihn trotzdem überlebt.
Die sechs Kinder der Eheleute Mann haben ihren Herrn Papale aber doch gern, sie äffen ihn nicht nach, sie lachen ihn nicht aus, sie nennen ihn der Zauberer. Dass er sich im Jahr 1933 aber zugleich als ein Zauderer erweist, das liegt besonders Klaus und Erika schwer auf der Seele. Zur offenen, öffentlichen Konfrontation Thomas Manns mit dem Dritten Reich wird es erst viel später kommen, wenn er bereits in den USA sein Exil genommen hat. Ab Herbst 1940 wendet er sich über die BBC an die deutschen Hörer und versucht auf seine Art Einfluss auf die geistige Haltung in Deutschland zu nehmen. Ob er Erfolg hatte, ist fraglich.
Als eine Art Nachwort erhält man Einsicht in die Schicksale der wichtigsten Protagonisten dieses Buches, sie sind nicht immer fröhlich und glücklich verlaufen. Vielleicht ist es die Lieblingstochter Medi, Elisabeth Mann, die das meiste Glück davongetragen hat. Das Glückskind der Familie verstarb erst nach den Dreharbeiten zum Film „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ von Heinrich Breloer.
Fazit: Diesen Sommer 1933 in Sanary-sur-mer werde ich so schnell nicht vergessen. Florian Illies' Schreibstil und Detailreichtum machen Freude und lassen kaum eine Pause zu.
    Während des Lesens dieses Buches holte ich einige andere Veröffentlichungen zum Thema Mann, die ich in diesem Jahr auf meiner Leseliste hatte, noch einmal hervor. Sie passten ganz hervorragend zu Illies „Sanary-sur-mere“-Erzählungen. Da war Kerstin Holzer mit dem Buch „Thomas Mann macht Ferien“, das das absolute Gegenteil von erzwungenen Exilferien beschreibt. Oder Volker Weidermann, der sich das Thema „Mann vom Meer“ auserkoren hat. Auch bei ihm taucht einmal Sanary auf, und der schöne Klaus findet Erwähnung. Wer etwas Fiktionales mit Thomas Mann in der Hauptrolle sucht, dem seien die Krimis von Tilo Eckardt nahegelegt. Aber nicht nur der Vater findet sich in der aktuellen Literatur wieder, auch Erika, seine Tochter, macht wieder Furore. Zum Beispiel im Roman „Ins Dunkel“ von Angela Steidele.
Florian Illies, auf dessen Bücher ich seit „1913“ schon immer sehr gespannt bin, enttäuscht auch diesmal seine Anhängerschaft nicht. Die Kritiker werden ihm wieder vorwerfen, dass er seine Bücher immer nach dem gleichen Muster schneidert, aber mir gefällt sein Stil, seine Ironie, seine Suche nach pikanten Details ebenso wie seine Art, die von ihm beschriebenen Personen niemals zu beleidigen, auch wenn er sie doch recht oft bloßstellt. Bei Illies bekommt fast jeder sein Fett weg, mal mehr mal weniger. Und das nicht nur in der Familie, auch die anderen in Sanary-sur-mer den Sommer 1933 verbringenden Gäste sind höchst amüsant beschrieben. Drogensüchtige kennt man ja bereits, Klaus und Erika Mann, das Beinahe-Zwillingspaar, haben einen gewaltigen Hang zu jeder Art von Rauschmitteln, aber die befreundeten Damen übertreffen die beiden um Längen. Der Schriftsteller Aldous Huxley, er ist in der Sommerfrische, nicht im Exil, neigt zu Alkohol und Damen. Eine wird von seiner schönen Terrasse durch ein vom Himmel fallendes Tier vertrieben, wie unangenehm. Auch Lion Feuchtwanger, der mit Ehefrau Marta hier sein Exil beginnt, tönt noch sehr selbstverliebt vor sich hin, lässt möglichst keine Dame aus und schreibt wie verrückt an seinen „Geschwister Oppermann“. Mit der Mann’schen Familie und deren Freunden und Bekannten ist das „Personal“ im Buch also weit gefächert.
Doch es gibt nicht nur Amouröses zu berichten, denn nach der Machtübernahme und dem Reichstagsbrand ist es für die Manns wirklich brandgefährlich geworden in Deutschland. Man wagt nicht zu fragen, was wäre passiert, wären Thomas und Katia Mann nicht gerade auf einer Vortragstournee unterwegs gewesen. Es lässt sich nur schwer erkennen, ob sie jemals Erika und Klaus dankbar waren für die Sturheit, ihnen die Rückkehr nach Deutschland tatsächlich auszureden. Dass sich das sogenannte Dritte Reich an den Manns, den Pringsheims (Katias Eltern) und Tausenden anderen bereichert hat, wie es das vorher noch nie gab, das steht auf einem anderen Blatt. Mit einer gehörigen Portion Chuzpe gelingt es aber tatsächlich, viele Manuskripte, Bücher, Möbel und anderes aus Deutschland herauszubekommen. Auch hier ist das mit dem Dank, der besonders Golo für seine Husarenstücke gebührt, auch so eine Sache. Thomas Mann ist und bleibt ein norddeutscher Stiesel, davon können seine Kinder ein Lied singen. Katia Mann hat ihn trotzdem überlebt.
Die sechs Kinder der Eheleute Mann haben ihren Herrn Papale aber doch gern, sie äffen ihn nicht nach, sie lachen ihn nicht aus, sie nennen ihn der Zauberer. Dass er sich im Jahr 1933 aber zugleich als ein Zauderer erweist, das liegt besonders Klaus und Erika schwer auf der Seele. Zur offenen, öffentlichen Konfrontation Thomas Manns mit dem Dritten Reich wird es erst viel später kommen, wenn er bereits in den USA sein Exil genommen hat. Ab Herbst 1940 wendet er sich über die BBC an die deutschen Hörer und versucht auf seine Art Einfluss auf die geistige Haltung in Deutschland zu nehmen. Ob er Erfolg hatte, ist fraglich.
Als eine Art Nachwort erhält man Einsicht in die Schicksale der wichtigsten Protagonisten dieses Buches, sie sind nicht immer fröhlich und glücklich verlaufen. Vielleicht ist es die Lieblingstochter Medi, Elisabeth Mann, die das meiste Glück davongetragen hat. Das Glückskind der Familie verstarb erst nach den Dreharbeiten zum Film „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ von Heinrich Breloer.
Fazit: Diesen Sommer 1933 in Sanary-sur-mer werde ich so schnell nicht vergessen. Florian Illies' Schreibstil und Detailreichtum machen Freude und lassen kaum eine Pause zu.
