Ein berührender Roman über leichte Sommer, eine schwere Zeit, alte Schuld und neue Freundschaften.

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"All das würde in einer sanften Woge der Stille versinken, wenn sie gleich aus der Schule trat, sich die Staubwolke der davongaloppierenden Heranwachsenden gesenkt hatte und die Sommerferien ihre wundersame Heilkraft entfalteten."

Ja, sie liegen vor der alleinerziehenden Musiklehrerin Lisa, die Sommerferien. Ihr sechsjähriger Sohn Paul verbringt einen Teil davon mit seinem Vater und Lisa ist zum ersten Mal seit langem allein. Das bringt viel Zeit, Zeit zum Nachdenken... Um sich abzulenken, möchte sie nach Jahren wieder auf ihrer alten, ungeliebten Geige spielen. Doch diese weist ein paar Schäden auf, und so bringt Lisa sie zum Geigenbauer Hans, der mit seiner Tochter Ute auf einem Kirschhof lebt.

Durch ihn bekommt Lisa den Anstoß, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, ihrer und der ihrer Familie, über die ihre Mutter beharrlich schweigt.

Ich gebe zu, "Wenn die Tage länger werden" war anders, als ich erwartet habe. Sie führt uns weit zurück in eine Zeit, über die viele nicht reden wollen, über die Schrecken und Verbrechen des zweiten Weltkrieges. Gerade die Passagen der Wortlosigkeit zwischen Lisa und ihrer Mutter Barbara waren bedrückend und zeigen, wie viel Schaden man anrichtet, wenn man nichts sagt, um den anderen zu schützen.

Sanft und leicht erzählt Anne Stern eine schwere Geschichte, über Schuld und Wiedergutmachung, über alte Dämonen und neue Freundschaften. Ich finde, sie hat die Gefühle der Protagonisten gut auf den Punkt gebracht und ein schwieriges Thema geschickt und gefühlvoll in einen wunderbaren Roman gepackt.

Ich konnte Lisa gut verstehen, die befreit von ihren drückenden Verpflichtungen erst nicht weiß, womit sie ihre Tage füllen soll. Aber auch die kranke Obstbäuerin Ute, aus deren und Lisas Sicht die Geschichte abwechselnd erzählt wird, fand ich sehr authentisch und sympathisch. Sie entstammt einer anderen Generation, möchte gesund sein, um ihre Arbeit zu verrichten und ihre Ruhe. Die Annäherung der beiden fand ich besonders bewegend.

Ein zusätzlicher Pluspunkt: Der Roman enthält zwar auch eine kleine Liebesgeschichte, diese wird aber sehr zurückhaltend erzählt und überlagert dadurch nicht die großen Themen.

Fazit: Ein berührender Roman über leichte Sommer, eine schwere Zeit, alte Schuld und neue Freundschaften.