Die Altvorderen - zwischen Sprachlosigkeit und Magie

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toniludwig Avatar

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Anna Maschik, die dreißigjährige Wienerin legt ihren ersten Roman vor, welcher bei Luchterhand erscheint und den seltsamen Titel >> Wenn du es heimlich machen willst, musst Du die Schafe töten<< trägt, der gleichsam als ersten Satz den Roman eröffnet.

Henrike, die Urgroßmutter schlachtet in einem kleinen Dorf an der deutschen Nordseeküste heimlich ein Schaf, dessen Innereien bloßgelegt werden.
Es ist eine harte Arbeit, die längst keine Freude mehr bereitet, doch die Schafe sterben lautlos.
Alma, die Urenkelin blickt einhundert Jahre später selbst auf das Innere ihrer Familie.
In dieser wird wenig gesprochen, der Alltag ist schon hart genug, die Sprachlosigkeit erreicht uns durch eine geschickte Montage selbst auf den Buchseiten.

Kinder werden gezeugt, die Hebamme hilft bei den meist schmerzhaften Geburten, sie wachsen heran, die Männer ziehen in den Krieg und manch einer jubelt auf der falschen Seite.
Die Zeitläufte formt die Menschen, die Kinder erfahren Zuwendung, Liebe oder gar Ablehnung.

Anna Maschik erzählt all dies in einem ruhigen Fluss in kleinen Miniaturen, gänzlich unaufgeregt, zuweilen mit kuriosen aber stimmigen und amüsanten Aufzählungen.

Damit nähert sie sich der Frage, wie es wohl sein kann, dass alle Eltern es besser machen wollen als die Altvorderen, aber dennoch schier ausweglos in ihren Verhaltensmustern gefangen bleiben und Bestandteil eines wohl undurchbrechbaren Kreislaufes der unbarmherzigen Realität bleiben.

Dabei entwickelt die Autorin eine Magie, der sich der Leser nur schwerlich entziehen kann, wenn er sich einmal darauf eingelassen hat, bei unaufhaltsamer Trauer wird das Gemüse immer heller und im Tode gänzlich weiß, die Ablehnung eines Geschwisterkinders manifestiert sich in dessen holzartigem Körper.

Der Roman erzählt keine epische Geschichte. er überzeugt durch Auslassungen und kleine Betrachtungen des Alltäglichen, etwa über das Schlaflied >>Guten Abend, gut' Nacht<<, was würde passieren, wenn Gott am nächsten Morgen nicht will, dass Du geweckt wirst oder die tiefere Bedeutung von Kopfsteinpflaster.

Die Romanfiguren sind oftmals von Trauer erfasst, die harte Arbeit im Stall formt einen krummem Rücken und macht zitternde Hände, das Ungesagte schwebt in den lehmgemauerten Räumen ebenso wie die fatalistische Ungerechtigkeit, nur einem der Kinder am Bettchen ein Lied vorzusingen.

Der Roman ist eine Entdeckung der deutschsprachigen Literatur, weniger eine Strandempfehlung, aber bestes geeignet für melancholische Herbstabende - nicht nur auf dem Lande.