In wenigen Worten viel erzählt

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In diesem Roman ist vieles ungewohnt: der Titel, das Cover, der locker gestreute Text und natürlich die Personen und die Vorgänge. Es ist eine eher ungewohnte Art des Erzählens, wenn auch Rückblenden in der Gegenwart geschrieben sind. Das alles hat mich von Beginn an mitgerissen, und ich habe an einem Stück von A bis Z gelesen.
Schon dass mit der Schlachtung eines Schafes begonnen wird, nimmt einem rasch gefangen. Ich habe das dampfende Blut förmlich gerochen. Der Roman kommt in Zitaten, Aufzählungen, Sprüchlein, Listen daher, in zwei Fällen bleibt es auch beim Titel und einer vielsagenden leeren Seite darunter. Oder mit gänzlich weißen Seiten.
Viele Szenen sind natürlich auch zeitversetzt. Was die Erzählerin Alma uns wissen lässt, klingt manchmal sehr unwahrscheinlich, ja märchenhaft, dann wieder bestechend real. Aber das Wahrscheinliche ist eigentlich gar nicht so wichtig, denn es geht um das Erzählen und damit das Tätigwerden der Fantasie des Lesers. Doch durchaus der Wirklichkeit entsprechend sind die politischen Veränderungen und dadurch ihr Einwirken auf die Familie.
Mir ist aufgefallen, dass auch viel Kälte aus den Zeilen strömt. Sogar das Saure der Tropfen der Zitronen ist in der Geschichte immer wieder deutlich spürbar. Sowohl als Einsprengsel der Schilderung gewisser Härten als auch als Verbindungselement zwischen den Szenen. Manche Geschehnisse hätten mich jedoch noch weiter interessiert.
Karg wie der geschilderte Alltag ist auch die klare, schlichte und schnörkellose Sprache. Die formale Gestaltung des Buches gestattete es einer schon sehbehinderten Seniorin wie mir, den Text leicht zu lesen, wegen der lockeren Kapitelführung und dem großen Druck. Die Kapitelabstände laden den Leser ein, weiße Stellen mit eigenen Fantasien zu füllen.
Ich habe erwartet, einen vier-Generationenroman mit bedeutend mehr Text vorzufinden. Doch auch mit wenigen Worten, manchmal nur Andeutungen, ist außerordentlich viel erzählt. Bravo, das muss man erst einmal können! Es braucht sicher Mut, damit einen Erstlingsroman vorzulegen und Erfolg anzustreben. Dieser wird der Autorin Anna Maschik ganz bestimmt gelingen.
Die Covergestaltung finde ich genial, das Buch fällt in Auslage und Büchertisch sofort ins Auge. Eine Lese-Empfehlung!