Literarisch interessant

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bobbember Avatar

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„Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“ – schon der Titel verspricht Außergewöhnliches, und genau das liefert der Roman auch. Sprachlich brillant und voller eigenwilliger Bilder entfaltet sich hier eine Familiengeschichte, wie man sie selten liest: skurril, berührend und durchzogen von leiser Magie.

Was mit einem heimlich geschlachteten Schaf beginnt, weitet sich zu einem vielschichtigen Blick in das Innenleben einer Familie aus. Da wird Blut zu Wurst gerührt, jahrzehntelang geschlafen, heimlich Ziegel vom Dach gestohlen – und mittendrin steht Alma, die Urenkelin, die versucht, die Bruchstücke ihrer Herkunft zu einem Ganzen zusammenzufügen. Der Roman erzählt von kargem Leben an der Nordsee, vom Neuanfang nach dem Krieg, und davon, was zwischen den Generationen weiterlebt, auch wenn niemand darüber spricht.

Besonders beeindruckt hat mich der Ton: lakonisch, fast trocken, aber gleichzeitig voller Poesie und geheimnisvoller Schwebung. Die Grenze zwischen Realität und Imagination verschwimmt immer wieder – was wörtlich zu nehmen ist und was symbolisch, bleibt oft bewusst offen. Das macht den Reiz aus, verlangt aber auch Aufmerksamkeit beim Lesen.

Ein Stern Abzug, weil sich manche Passagen im Mittelteil etwas verlieren – die Fülle an skurrilen Figuren und Episoden kann zeitweise überwältigen. Doch insgesamt ist dies ein literarisches Kleinod, das lange nachhallt. Wer Familiengeschichten abseits der Norm sucht und sprachlich anspruchsvolle Literatur schätzt, wird hier fündig.