Der Luxus der einen als Herausforderung der anderen

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dj79 Avatar

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Eine Fernbeziehung ist nicht für jeden Charakter eine gute Wahl. Aber wie verhält es sich, wenn sich die Fernbeziehung auf eine ganze Familie bezieht und wenn die Zusammenkünfte auf Geburtstage und Feiertage beschränkt sind? Mit dieser Frage setzt sich Marco Balzano in seinem neuen Roman „Wenn ich wiederkomme“ auseinander.

Daniela ist eine engagierte Mutter, die wie die meisten Mütter möchte, dass es den eigenen Kindern später mal besser geht als ihr jetzt. Der Schlüssel zum Erfolg ist eine gute Ausbildung, besser noch ein abgeschlossenes Studium in einem lukrativen Fach. Um ihren Kindern diese Bildungschance sowie ein komfortables Leben zu finanzieren, verlässt sie ihre Heimat Rumänien in Richtung Italien, um dort betagte Menschen zu pflegen, was deutlich besser bezahlt ist als ihr bisheriger Bürojob.

Der Roman selbst erzählt nun aus drei Perspektiven, wie sich das Leben in Dauertrennung anfühlt. Zunächst kommt Danielas Sohn Manuel zu Wort. Er schildert seine Einsamkeit, erzählt von seinen schulischen Eskapaden, von seinen Problemen. Selbst bei verwöhnten Kindern sieht glücklich sein anders aus. Er machte mir einen überforderten Eindruck. Schließlich hatte Daniela ihre Entbehrungen für die Kinder mit einer Erwartungshaltung verknüpft. Danielas Part hat einen reflektierenden Charakter. Sie blickt auf die Zeit in Italien und ihre Versäumnisse zu Hause zurück. Ihre Gedanken haben einen Charme von Abwägen, was wäre wohl gewesen, wenn sie zu Hause geblieben wäre. Im letzten Teil des Romans wagt die Tochter Angelica einen Rückblick. Sie musste schnell erwachsen werden, den Bruder bei Laune halten, damit er sich schulisch nicht zum Totalausfall entwickelt. Die aufgewendete Zeit dafür hätte sie lieber in das eigene Lernen investiert.

Obwohl ich die jeweilige Perspektive der drei Hauptcharaktere gut nachvollziehen konnte, hat sich keine Nähe oder echte Zugewandtheit entwickelt. Die Drei blieben für mich auf Distanz. Ich habe mich eher als Beobachter der Situation empfunden, war nicht hineingezogen. Nachdem ich den Vorgänger „Ich bleibe hier“ mit Begeisterung gelesen habe, weil ich mit den Charakteren fiebern konnte, hätte ich mir hier ebenfalls mehr von der Geschichte ausgelöste Emotion gewünscht.

Die Aufbereitung des Textes wirft zwar verschiedene Blickwinkel auf die Trennungsgeschichte, durch die Realisierung in aufeinanderfolgenden Teilen, ergibt sich allerdings ein sehr geradliniger Schreibstil. Dieser lässt sich einerseits flüssig lesen, wirkt literarisch gesehen andererseits nicht so hochwertig wie der Vorgänger. Es entsteht keine echte Komplexität. Ich habe Danielas Geschichte trotzdem gern gelesen, mir fehlte nur der letzte Pfiff, das i-Tüpfelchen sozusagen.