Vom Zerbrechen einer Familie - ein aktuelles Problem aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet

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gluexklaus Avatar

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„Manchmal erscheint mir Liebe wie ein Luxus.“

Daniela ist Mutter und lebt in einfachen Verhältnissen in Rumänien. Um ihren Kindern Angelica und Manuel eine gute Ausbildung ermöglichen zu können, zieht sie nach Mailand, wo sie einen alten Mann rund um die Uhr pflegt. Ihren Verdienst schickt sie nach Hause. Doch in der alten Heimat gibt es große Probleme. Ihr Sohn Manuel, der in der Pubertät steckt, tut sich in der Schule sehr schwer. Als auch noch sein geliebter Großvater stirbt, verzweifelt er an der Situation und es kommt zu einem tragischen Unglück.

Autor Marco Balzano schreibt klar und gut verständlich in der ersten Person. Er wechselt die Erzählperspektive, schildert das Geschehen zunächst aus der Sicht Manuels, dann aus Danielas und schließlich aus Angelicas. Es wird chronologisch erzählt, was aktuell passiert, aber immer wieder fließen auch Erinnerungen der Figuren in die Geschichte mit ein. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen der Charaktere wird die Handlung im Verlauf um mehrere Aspekte erweitert. Eine Geschichte hat nie nur eine Seite, sondern stets mehrere und jeder Beteiligte wird sie anders erleben und erzählen. Das zeigt Marco Balzano mit seinem Roman sehr deutlich.

Die drei Hauptfiguren werden vom Autor vor allem in Hinblick darauf, was Danielas Weggang für sie konkret heißt, dargestellt. Auch wenn der Autor in der Ich-Perspektive schreibt, werden seine Figuren recht sachlich beschrieben, sie „erreichten“ mich als Leserin nicht immer emotional. Daniela ist Mutter, sie ist für ihre Kinder verantwortlich. Verantwortung bedeutet für sie vor allem, seinen Kindern ein Leben ohne materielle Entbehrungen zu ermöglichen. Die Kinder sollen eine gute Ausbildung bekommen, sich nicht „arm“ fühlen müssen. Dafür arbeitet sie sehr hart, gönnt sich kaum eine Pause, ist für ihre Arbeitgeber immer verfügbar, „entwurzelt“ sich und riskiert, sich von ihren Kindern zum entfremden.
Sohn Manuel „kämpft“ mit der Pubertät, zeigt sich emotional und impulsiv. Der Junge kommt ohne seine Mutter nur schlecht zurecht. Er verliert immer mehr Konstanten in seinem Leben, soll auf eine teure Schule gehen, obwohl er lieber die Landwirtschaftsschule besuchen würde. Er fühlt sich oft vollkommen alleine auf der Welt.
Seine ältere Schwester Angelica „kapiert“ nach Manuels Ansicht „die Welt“, sie muss früh Verantwortung übernehmen, kommt zuverlässig ihren Pflichten nach, kümmert sich. Wie ein „Lastesel“ tut sie, was getan werden muss, ohne sich zu beschweren. Doch irgendwann muss auch der stärkste Mensch einmal schwach sein dürfen.
Auf Danielas Mann Filip ist wenig Verlass. Aber Opa Mihal wird zum Fels in der Brandung, er sorgt sich um die Kinder und hat viele Lebensweisheiten in petto wie „Im Gehen löst man Probleme.“ Angelica erinnert sich an einen Satz von ihm: „Opa hat mal gesagt, wer sich wäscht und saubere Kleider trägt, der ist nie arm. Arm ist, wer den Dingen hinterherrennt, die alle wollen.“


Dass osteuropäische Frauen ihre Familien verlassen, um in Italien oder anderen Ländern ältere Leute zu Hause zu pflegen oder andere körperlich anstrengende Tätigkeiten zu verrichten, ist sehr traurig, aber leider gang und gäbe. Ich habe mir bisher nie Gedanken gemacht, was das für die betroffenen Frauen und ihre Kinder wirklich bedeutet.
Marco Balzano macht mit „Wenn ich wiederkomme“ auf dieses Problem aufmerksam. Er erzählt umfassend, mit welchen Schwierigkeiten die Familien der Pflegerinnen konfrontiert sind und stellt dabei immer wieder die Frage, was Liebe und Glück ausmachen. Was ist ein „besseres“ Leben? Braucht es materielle Sicherheit, um lieben zu können oder ist Liebe und füreinander Dasein nicht die Voraussetzung für echtes Glück? Kann man aus der Ferne lieben? Balzanos Figuren würden diese Fragen aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen sehr unterschiedlich beantworten und auch die Leserinnen und Leser werden sehr gründlich darüber nachdenken, wenn sie die komplette Geschichte gelesen haben. Fest steht aber, Danielas Entscheidung hat dramatische Folgen, kostet einen hohen Preis und verändert Identitäten. „Niemand gibt uns die Zeit zurück, die wir woanders verbracht haben.“ Besonders deutlich wurde mir während des Lesens wieder einmal eines. Von außen betrachtet scheint es manchmal so einfach, über andere zu urteilen. Wer nicht selbst betroffen ist, kann viel leichter werten. Wichtig ist es aber, alle Seiten zu beleuchten, Verständnis für alle Beteiligten aufzubringen und hierfür leistet Balzano mit seinem bemerkenswerten Roman auf alle Fälle einen Beitrag. Diese Familiengeschichte musste genau so erzählt werden. Für mich ein lesenswertes und wichtiges Buch, das mich noch länger beschäftigen wird.