Wenn Frauen ihre Familien verlassen müssen, um ihnen eine Zukunft zu bieten

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Marco Balzano ist ein Autor, der seine Stimme Themen und Menschen leiht, die neben den großen Tragödien der Geschichte nicht gesehen und nicht wahrgenommen werden, seine Romane handeln von Unrecht und Tragödien, die nicht in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. In „Wenn ich wiederkomme“ stellt er das Schicksal der südosteuropäischen Pflegerinnen und Kindermädchen in den Mittelpunkt, die im reichen Norden Betreuungsaufgaben übernehmen, die gerne abgegeben werden.
Stellvertretend für die vielen Frauen aus Rumänien, Bulgarien, der Ukraine,… steht hier Daniela, die ihr rumänisches Dorf und die Familie hinter sich lässt, um in Mailand als Pflegerin zu arbeiten und ihren Kindern eine gute Schulbildung und ein Studium zu ermöglichen.
Erzählt wird die Geschichte aus drei Perspektiven, einmal aus der Sicht Manuels, des Sohnes, den das plötzliche Verschwinden der Mutter ziemlich aus der Bahn wirft. Neben Pubertät und Abwesenheit der Mutter kommt noch hinzu, dass er sich im Privatgymnasium, in das er geht, so gar nicht wohl fühlt und sein Wunsch, eine Landwirtschaftsschule zu besuchen einfach ignoriert wird.
Nach einem Unfall kehrt die Mutter zurück ins Dorf. Ab diesem Zeitpunkt ist es ihre Seite der Geschichte, die wir erfahren. Zerrissen zwischen Sehnsucht, schlechtem Gewissen und der Unmöglichkeit alles hinzuwerfen brennt sie, wie so viele ihrer Kolleginnen, aus. Burnout, unter den Ärzten auch „Italienkrankheit“ genannt, weil es so viele Pflegerinnen trifft. Oft arbeiten sie schwarz, 24h mit den alten Menschen, schlecht vorbereitet auf Demenz und Pflege, ohne eigene Wohnung, schlecht bezahlt, immer mit dem schlechten Gewissen den Kindern gegenüber.
Am Ende kommt die Tochter, Angelica, zu Wort. Sie ist die „Gewinnerin“ der Situation. Durch die Arbeit ihrer Mutter konnte sie studieren, musste bisher noch nie arbeiten, konnte sich eine andere Zukunft aufbauen. Sie ist dankbar dafür, gleichzeitig wirft sie der Mutter vor, dass sie zu früh erwachsen werden musste, sich um ihren Bruder kümmern musste und alleine war.
Ein schwieriges Thema, das zum Nachdenken anregt. Dürfen wir das im reichen Norden? Die Notsituation dieser Frauen so ausnützen? Aber was wäre, wenn sie nicht einmal diese Möglichkeit hätten? Dass sie keine Lobby haben, immer zwischen den Fronten sind, ihre Arbeitsverhältnisse einen Graubereich darstellen, hat sich ja auch ganz klar in der Corona-Krise gezeigt. Marco Balzano hat hier einen wichtigen, eindringlichen und berührenden Roman geschrieben.
Sprachlich und von der Kompaktheit der Figurenzeichnung her fand ich allerdings seine Vorgängerromane um einiges besser. Für mich hatte „Wenn ich wiederkomme“ ein paar Längen. Auch fand ich, dass die äußeren Unglücksfälle zu sehr im Vordergrund standen und dadurch das eigentliche Drama des Weggehens, des Gespaltenseins, der Arbeitsumstände, der psychischen und gesundheitlichen Probleme der Pflegerinnen in den Schatten stellen.
Dennoch ein sehr lesenswerter, sehr berührender Roman zu einem Thema, das dringend neu diskutiert werden muss!