Zerplatzte Träume

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amara5 Avatar

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Der italienische Bestsellerautor Marco Balzano nimmt sich in seinem neuem Roman einem aktuellen und brisanten Thema an: osteuropäische Arbeitskräfte, die in den reicheren Ländern Alte und Kranke pflegen. So auch Daniela, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ihre Kinder und ihren Mann in einem rumänischen Dorf zurücklässt und nach Mailand aufbricht. Dort durchläuft sie eine Odyssee an Arbeitsverhältnissen – zumeist schwarz, 24 Stunden am Tag, Anschuldigungen und einer Unsicherheit ausgesetzt, wie lange sie „beschäftigt“ sein wird. Das Geld schickt sie ihrer Familie in Rumänien, in der Hoffnung und dem Zwang, dass alle ein besseres Leben erwartet, doch die Kinder und der Mann zerbrechen an ihrer langen Abwesenheit. Zwar kann Sohn Manuel eine Privatschule besuchen, wo er abgleitet, Tochter Angelica kann studieren, was ihr aber nichts wirklich bringt und Vater Filip fängt an, das Haus zu renovieren, um später abzuhauen und die Familie komplett zu verlassen. Als Manuel einen schweren Moped-Unfall erleidet, kommt Daniela zurück und versucht nach ihrer Entscheidung zu retten, was noch zu retten ist.

Marco Balzano gliedert seinen chronologisch gewürfelten Roman in drei Teile und in drei Stimmen – der Leser erfährt zuerst aus Manuels schnoddriger Teenagersicht, wie es ihm nach dem Weggang der Mutter ergangen ist. Er leidet sehr darunter, bricht immer mehr den Kontakt ab und als sein geliebter Opa stirbt, verliert er im wahrsten Sinne den Boden unter den Füßen. Der bewegenste und ausgefeilteste Teil ist das Mittelstück, in dem Daniela ihre Erlebnisse in Mailand schildert - gezeichnet vom Burnout (der Italienkrankheit) und der Angst um ihren Sohn. Am Krankenbett vermischt sie aktuelle mit alten Erinnerungen und versucht, ihren Weggang zu erklären. Der Schlußteil gehört Angelica – die hohe Verantwortung, die auf der großen Schwester lag, hat sie mürbe gemacht. Sie beschließt nach dem Studium zu heiraten und nach Berlin zu ziehen.

Insgesamt ist Marco Balzano ein berührender, aufrüttelnder und sehr realistisch geschilderter Roman über ein wichtiges Thema gelungen – doch den Figuren fehlt es hier und da an Tiefe und sie wirken teils oberflächlich und klischeehaft konstruiert. Doch die eindringlichen Schilderungen von Daniela aus ihrem schlechtbezahlten Alltag als ausländische Pflegekraft, die psychischen wie physischen Strapazen einer ungelernten Hilfskraft, die Entfremdung im anderen Land sowie ihre Schuldgefühle und das Zerbrechen der zurückgelassenen Familie sind feinfühlig, erschütternd und berührend ausgearbeitet. Zusammen mit dem informativen Nachwort von Balzano am Ende des Romans lenkt „Wenn ich wiederkomme“ die Aufmerksamkeit präzise auf das Schicksal von diesen ausgebeuteten Pflegekraft-Frauen sowie ihrer Familien und auf ein marodes Sozialsystem, das darauf basiert.