sehr beeindruckendes debüt, wundervoll lakonisch geschrieben

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
blätterwald Avatar

Von

Für ein Debüt ist dieser Roman recht beeindruckend, aber nichts ist perfekt. Bis kurz vor dem Ende hätte ich glatt fünf Sterne vergeben. Aber das Ende macht doch ein wenig vom durchweg positiven Eindruck zunichte.
Der Zeitraum, in welchem dieser Roman spielt, reicht von 1900 bis ins Jahr 2001, also ein Jahrhundertroman. Erzählt wird die Geschichte von Martha, 1900 in Pommern geboren. Es geht um ihre Familie, ihr Leben und ihr Wirken, wobei da der Fokus klar auf die Weimarer Jahre, ihrer Zeit am Bauhaus, gerichtet ist.
Der ganze große Pluspunkt dieses Romans ist der lakonische Erzählstil. Kurz und prägnant, ohne zu viele Worte zu verlieren, entfaltet der Autor ein epochales Zeitbild. Es geht um Neues, um Umbruch und die ewigen Schwierigkeiten, die das Neue immer hat, wenn es gilt, sich dem Alten gegenüber durchzusetzen. Es geht um Leben und die Liebe, das Normale dabei und gleichzeitig wird gezeigt, dass nichts im Leben normal ist. Nur, wer setzt die Maßstäbe, was normal ist und was nicht.
Der Roman arbeitet mit zwei Ebenen, der Jetztzeit und der erzählten Vergangenheit. Das Ganze wird recht geschickt miteinander verwoben. Der Enkel der verstorbenen Hedi, bei der ein besonderes Tagebuch gefunden wird, ist das Bindeglied der beiden Erzählstränge. Er fliegt nach New York, weil dort bei Sothebys das Tagebuch seiner Urgroßmutter, Martha, versteigert wird. Und in diesem Tagebuch haben sich namenhafte Künstler wie Kandinsky und Klee sowie weitere verewigt. Wie es dazu kommt, wird im Roman erzählt. Überhaupt lässt der Roman nichts aus, wobei die Jahre des Dritten Reichs nicht sehr ausführlich behandelt werden. Und alle losen Fäden werden sehr geschickt zu einem Ende gebracht. Wobei es eben dieses Ende ist, dass nicht hätte so sein müssen. Eine sehr schöne und logisch aufgebaute Geschichte wird mit dem 11.09.2001 doch ein wenig ad absurdum geführt, bzw. hätte es dieses Datums nicht wirklich bedurft. Schade, denn gerade der Faden der Jetzt Zeit erklärt vieles, was in der Vergangenheit im Dunkeln geblieben ist.
Sehr berührend geschrieben und dabei hat der Autor nie seine Figuren verloren. Sie sind perfekt gezeichnet, keine der Figuren ist eindimensional geblieben, zu jeder gab es die passende Beschreibung. Und immer wieder die lakonischen Sätze, die mehr aussagen als ellenlange Passagen. Auch wenn das Ende etwas krude wirkt, ist es doch schön zu wissen, dass es solche Romane noch gibt. Den Autor sollte man sich jedenfalls merken.