Unheilige Familie

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manjula Avatar

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Regina, in der Nachkriegszeit geboren, ist zu Beginn des Romans eine 50jährige Mutter von zwei Töchtern. Ihre als lieblos empfundene Kindheit und Jugend, in der sie nicht die für sie nötige Zuwendung, Anerkennung und Förderung erhalten hat, hängt ihr nach. Ihre Kompensation: Sie ist großartig, in allem. An dem, was in ihrem Leben nicht perfekt gelaufen ist, tragen andere Schuld. Nichts kann ihr wirklich genügen. Als Psychologin weiß Regina es - eigentlich - besser; aber eben nur, wenn es nicht um sie selbst geht. Also überträgt sie ihre unglückliche Prägung auf ihre Töchter Antonia und Wanda, indem sie bei aller vorgeblichen Fürsorge immer nur um sich selbst kreist, und stets fordert statt fördert. Beide Töchter könnten Regina im Grunde nichts recht machen. Antonia reagiert darauf, indem sie vor den an sie gestellten Erwartungen abtaucht und sich so wenig wahrnehmbar macht, wie sie sich fühlt. Wanda kämpft für die Liebe ihrer Mutter, indem sie sich ehrgeizig nach deren Vorstellungen verformt. Richtig interessant wird es auch, wenn aufgezeigt wird, was von ihrer Prägung Antonia und Wanda an die eigenen Kinder weitergeben.
Das Buch ist keine leichte Kost, tragisch und fesselnd zugleich: Eine messerscharfe Studie über eine (ganz bestimmt nicht so seltene) dysfunktionale, unheilige, Familie, bei der die Autorin hintergründig aufs allerschönste auf den Punkt bringt, woran es hakt. Für die Lesenden, die sich von all dem nicht gleich völlig abgestoßen fühlen, hat Anna Brüggemann ein großartiges Buch geschrieben, das absolut nicht kalt lässt. Von mir deshalb eine klare Leseempfehlung.
Die Frage: "Warum darf eine Tochter nicht glücklicher sein als ihre Mutter?" hatte ich, bevor ich mit dem Buch durch war, anders interpretiert, als ich sie jetzt verstehe. Und was es mit den spazierenden Kampfhunden auf sich hat, wird hier nicht verraten.