Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
jam Avatar

Von

… aber das hat nichts mit Erwachsenwerden zu tun. Es geht darum, was du tust, wenn irgendwas Schlimmes passiert, darum, was du um dich herum wahrnimmst. Das macht einen zum Mann.“

Charlie ist ein ganz normaler Jugendlicher, der im Australien des Jahres 1965 aufwächst, bis...
Bis Jasper Jones an sein Fenster klopft, mitten in der Nacht. Jasper, der Vollwaise, oder so gut wie. Gemischtrassiger Herkunft, die Mutter verunglückt, der Vater ein Säufer. Ein Unruhestifter, ein Schulschwänzer, der übliche Verdächtige im Städtchen.
Jasper lockt Charlie in die Nacht, zu seinem geheimen Ort. Denn dort baumelt, mit einem Strick um den Hals, Laura Wishart. Und es ist klar, wer dafür verantwortlich gemacht werden wird.
Also hilft Charlie Jasper, die Leiche verschwinden zu lassen, um den wahren Täter zu finden.
Das Charlie in Lauras Schwester Eliza verliebt ist, macht es für ihn nicht einfacher...

Nach der LP habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut, ich habe ein Abenteuer erwartet, etwas im Stil der Herbstsonate von Stehpen King (verfilmt als „Stand by me – Das Geheimnis eines Sommers“).

Doch irgendwie konnte ich keinen Haupthandlungsstrang entdecken.
Das Buch handelt von so vielen Themen wie Erwachsenwerden, Vietnam und den Diskriminierungen, denen auf einmal Vietnamesen außerhalb ihrer Heimat ausgesetzt sind, dem Wegschauen, Schubladendenken, … ohne etwas davon wirklich zu behandeln.

Die Beweggründe der Protagonisten bleiben mir so rätselhaft und fragwürdig, das bei mir einfach kein Verständnis für die Geschichte aufkommen konnte.

Jasper, der das Leben als Ausgestoßener nur zu gut kennt, hat nichts Besseres zu tun, als mit dem Finger auf den nächstbesten üblichen Verdächtigen zu zeigen. Im Verlauf der Geschichte wird seine Herkunft klarer, aber er nutzt die Chancen, die sich ihm dadurch bieten, nicht.

Charlie beobachtet man über 400 Seiten lang dabei, in seinem Zimmer zu hocken, Geschichten zu schreiben und darauf zu warten, dass Jasper wiederkommt und seine Welt in Ordnung bringt.
Nur ein einziges Mal, gegen Ende des Buches, entschließt er sich zu handeln. Er hat die Möglichkeit, mit einer einzigen kleinen Geste das Leben eines anderen Menschen grundlegend zu beeinflussen, es ihm zu erleichtern und wahrhaftig zu zeigen, dass man vor nichts Angst haben muss.
Tatsächlich aber macht er etwas so Schäbiges, dass es mir die Zornestränen in die Augen und die Schamesröte ins Gesicht getrieben hat. Er gießt Vorurteile in Beton, um für sich einen kleinen Vorteil daraus zu ziehen. Für mich war das eine Schlüsselszene, an die ich auch Tage nach dem Lesen immer wieder denken und den Kopf darüber schütteln muss.

Die tiefschürfenden Dialoge haben mir an sich gut gefallen, irgendwie kommen sie aber so gestelzt daher, dass das Ganze für mich einfach keine runde Sache wurde.

Schade, ich habe mir mehr erwartet.