Post für Mr. Satoshi

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theresia626 Avatar

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Die Leseprobe aus Jonathan Lees Debütroman “Wer ist Mr. Satoshi ?” beginnt mit einer verstörenden Szene. Robert oder auch Rob oder Foss, 41 besucht seine 80jährige demente Mutter Alice im Altersheim Finegold Mews. Er schaut durch die Scheibe zu, wie sie auf ihrer Terrasse Unkraut zupft. Dann stürzt sie, und ihr Sohn sieht ihr untätig und wie gelähmt beim Sterben zu. Foss war einst ein gefeierter Fotograf, ehe ihn der Unfalltod seiner Frau Chloe völlig aus der Bahn warf. Seither ist er depressiv und betäubt seinen Schmerz mit Alkohol und Tabletten.

Kurz vor ihrem Tod hat seine Mutter ihm einen Schuhkarton gezeigt, den Mr. Satoshi bekommen soll. Nach der Beerdigung spricht ihn Freddie, - ebenfalls Heimbewohnerin und beste Freundin seiner Mutter seit der gemeinsamen Schulzeit - auf diesen Karton an, denn auch an sie hat die Mutter die entsprechende Bitte gerichtet. Freddie weiß zumindest, dass es diesen geheimnisvollen Mr. Satoshi wirklich gegeben hat. Er war ein junger Mann namens Reggie aus Bristol, die Jugendliebe seiner Mutter.

Alice hat über ihren Tod hinaus etwas Entscheidendes für ihren Sohn getan. Ihr Auftrag wird ihn aus seiner Lethargie reißen und ins aktive Leben zurückführen. Er wird die Geheimnisse seiner Eltern aufdecken, und sein eigenes Leben wird für immer verändert sein. Wohin die Reise ihn führt, zeigt das geschmackvolle Cover, das ein japanisches Ambiente vermittelt.

Mir gefällt die Leseprobe sehr gut. Nicht nur die Familiengeschichte ist interessant, sondern mich beeindruckt vor allem die für einen Debütroman außergewöhnliche sprachliche Qualität. Auch in der Übersetzung ist erkennbar, dass sich der Autor einer poetischen, metaphernreichen Sprache bedient und originelle Wortschöpfungen liebt, z.B. auf S. 24: “Jeder zurückgelegte Meter fühlte sich an wie ein Sieg des Willens über die Materie. Der Wagen roch wie eine Keksdose, krümelig und süß, und der in Bodenmatten und Armaturenbrett eingepresste Dreck gab ihm etwas Erdiges, die Wärme von Verrottung und Fossilisation.” Ich bin sicher, die Lektüre dieses Romans ist ein Genuss.