ein debut, welches aufhorchen läßt

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blätterwald Avatar

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„An einem Nachmittag im Oktober, auf dem Beton ihrer Terrasse, stürzte meine Mutter.“
Was für ein erster Satz. Ich war sehr beeindruckt und neugierig, ob es noch mehr solcher Sätze in diesem Buch gibt. Das Thema an sich ist nicht so neu, aber es ist immer wieder spannend zu sehen, wie die Autoren damit umgehen. Es ist kein so großer Roman, der einen umhaut, dafür hat er einige Schwachstellen. Aber es ist ein sehr guter Roman, mit dem man keine Lesezeit verschwendet und man bekommt wieder mal einen kleinen Einblick in die fremde Welt des Fernen Ostens.
Erzählt wird die Geschichte eines ehemals berühmten englischen Fotografen, Robert Fossick. Mittlerweile in den 40ern, lebt er allein als Witwer sehr zurückgezogen von der Außenwelt. Seine damals schwangere Frau kam bei einem tragischen Unglück ums Leben. Rob besucht gelegentlich seine Mutter, die dann durch den oben erwähnten Terrassensturz stirbt. Sie hinterlässt ihm auch eine Aufgabe, ein Päckchen an Mr Satoshi zu verschicken. Freddie, eine gute Bekannte seiner Mutter und Mitbewohnerin im Altersheim, unterstützt ihn anfangs dabei, drängt den menschenscheuen Rob dazu, Mr Satoshi zu suchen. Gleichzeit drängt Robs Agent ihn dazu, mal wieder zu arbeiten und wieder am Leben teilzunehmen. Jedenfalls gelingt es ihnen, dass Rob nach Tokio fliegt.
Was auffällt ist, dass diese Geschichte mal nicht in mehreren Zeitebenen erzählt wird, wie es so oft bei solch angelegten Stoffen der Fall ist. Es geht um seine Mutter und ihre Vergangenheit. Rob erfährt Dinge, die ihm bis dahin vollkommen verborgen waren. Aber wer weiß schon alles von den Menschen, die einem am nächsten sind.
Sehr schön wird die Lethargie des Fotografen Rob dargestellt. Man möchte ihm als Leser oftmals an die Hand nehmen und ihn nach draußen zerren. Er sagt über seine Mutter „Ihre Interessen lagen sämtlich in der Vergangenheit oder Zukunft.“ Aber auch seine waren mehr rückwärtsgerichtet. Doch der Autor musste ihn so darstellen, wollte er die Glaubwürdigkeit seines Protagonisten nicht verspielen. Die anderen Figuren bekommen nur so viel Kontur wie notwendig, manchmal hätte ich gerne eine wenig mehr Stoff gehabt, gerade was die Mutter betrifft. Doch über die Gedanken ihres Sohnes oder den wenigen Aussagen Freddies kann man schon viel entnehmen.
Die Geschichte dehnt sich anfangs, bis es Rob tatsächlich nach Tokio schafft, wo er Chiyoko kennenlernt, eine flippige Japanerin, 24 Jahre alt und die ihn einfach mitzieht. Rob ist so in sich gefangen, dass er es einfach geschehen lässt. Diese Stelle der Story wirkt ein wenig konstruiert, da wusste sich der Autor wohl keinen anderen Rat. Chiyoko ist eine notwendige Figur für die Story, doch die Einführung geriet ein wenig plump.
Schön fand ich, wie die Geschichte ihren Lauf nahm, es immer was nachdenkliches gab, aber nie zu rührig wurde und man immer wieder Einblicke in die japanische Kultur bekam. Und der Leser bekommt immer wieder ein paar Infos, manchmal wie beiläufig, aber immer so, dass auch ungeübtere Leser nicht verzweifeln. Überhaupt ist das Buch sehr gut geschrieben, flüssig und es klingt auch nicht gewollt, sondern man merkt schon den eigenen Stil des neuen Autors.
Zum Ende hin, als es unweigerlich zu einer Lösung kommen muss, da wird es für mich manchmal dünner. Es gibt unerwartete Wendungen, das ja. Aber auch Dinge, die man so erwartet hat. Aber es wird nie schnulzig, die Gefahr bei einem solchen Stoff ist ja durchaus gegeben. Es gibt Rückblicke, und Einblicke in die menschliche Natur. Ich denke, wir alle wären manchmal überrascht, wenn wir alles von unseren Eltern würden wissen. Ein jeder hat so seine kleinen, oder größeren, Geheimnisse. Aber verwunderlich ist es manchmal schon, wie einen ein Mensch, den man meint, gut zu kennen, überraschen kann.
Zum Ende bekommt man als Leser seine Antworten, die auch vollkommen ausreichend sind. Chiyokos Abgang aus der Story gefällt mir nicht, aber ich kann mir den Rest ja denken. Ich mag dieses Buch, auch wenn es nicht so ist, das ich sage, wow, was für ein Buch. Aber es ist keine Zeitverschwendung es zu lesen und auf alle Fälle ein Autor, auf den man ein Auge haben sollte.