Post für Mr. Satoshi

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buecherfan.wit Avatar

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“Wer ist Mr. Satoshi?” ist das Debüt eines neuen Sterns am britischen Literaturhimmel. Der Roman beginnt mit einer verstörenden Szene. Robert oder auch Rob oder Foss, 41 besucht seine 80jährige demente Mutter Alice im Altersheim Finegold Mews. Er sieht durch die Scheibe der Terrassentür, wie seine Mutter beim Unkrautzupfen plötzlich stürzt. Ihr Sohn schaut ihr untätig und wie gelähmt beim Sterben zu. Diese Szene stimmt den Leser sogleich darauf ein, dass mit dem Protagonisten so einiges nicht stimmt. Foss war einst ein gefeierter Fotograf, bis ihn der Unfalltod seiner Frau Chloe völlig aus der Bahn warf. Seither ist er depressiv, leidet an Agoraphobie und betäubt seinen Schmerz mit Alkohol und Tabletten. Das Haus verlässt er nur noch einmal im Monat, um seine Mutter zu besuchen.

Bei diesem letzten Besuch hat ihm seine Mutter wenige Minuten vor ihrem Tod einen Schuhkarton gezeigt, den ein Mr. Satoshi bekommen soll. Nach der Beerdigung spricht ihn Freddie - ebenfalls Heimbewohnerin und beste Freundin seiner Mutter seit der gemeinsamen Schulzeit - auf diesen Karton an, denn auch an sie hat die Mutter die entsprechende Bitte gerichtet. Freddie weiß, dass der geheimnisvolle Mr. Satoshi ein junger Mann namens Reggie aus Bristol war, die Jugendliebe seiner Mutter.

Foss fühlt sich verpflichtet, den letzten Wunsch seiner Mutter zu erfüllen, obwohl es ihm schwer fällt, seine selbst gewählte Einsamkeit aufzugeben. Die Reise führt ihn, der Menschenansammlungen nicht erträgt, ausgerechnet in die Millionenstadt Tokio. Dort lernt er die attraktive Studentin Chiyoko mit den pinkfarbenen Haaren kennen, die nebenher an der Rezeption eines Hotels arbeitet. Sie hilft ihm bei den Recherchen und begleitet ihn auf einer Reise nach Sapporo, wo Mr. Satoshi alias Reginald Pickford einen Job an der Universität hatte. Foss erfährt immer mehr über die Vergangenheit, taucht immer tiefer in die ihm bisher unbekannte Geschichte seiner Mutter ein, bis er sich - ein gewandelter Mensch - auf den Rückweg nach Tokio machen kann.

Der mit Ausnahme der alten Briefe aus der Perspektive von Foss erzählte Roman weist eine für einen Debütroman ungewöhnliche sprachliche Qualität auf und liest sich hervorragend. Der Leser begleitet den Protagonisten auf der Spurensuche bis zur Auflösung des Rätsels. Manches ist dabei vorhersehbar. Ich habe zum Beispiel das zentrale Geschehen im Jahr 1946, das die Liebenden auseinander brachte, frühzeitig erraten. Der Autor verwendet vertraute Topoi wie die Reise, die nicht nur räumliche Veränderung ist, sondern auch eine Reise zu sich selbst. Sie reißt Foss aus seiner Lethargie und führt ihn ins aktive Leben zurück. Sogar eine neue Liebe scheint möglich.

Ein sehr empfehlenswerter Roman.